Das aktuelle Wortstudio

  • ...izität oder ...ität


    = Endungen zu weiblichen Substantiven, die von Adjektiven abgeleitet sind (...izität => Adjektive auf ...isch) und den Charakter oder die Eigenschaft einer Sache ausdrücken. So ist zum Beispiel mit Historizität eine Geschichtlichkeit gemeint – auch als Geschichtsbewusstsein verstanden.


    Das schöne Automobil aus alten Zeiten, für das jetzt die amtliche Kennzeichnung eines historischen Fahrzeuges (›H-Kennzeichen‹) angestrebt wird, darf zu diesem Zweck nur wenige Abweichungen vom Originalzustand aufweisen. Da bieten sich Begriffe je nach Zustand an wie ...


    ... originales Fahrzeug

    ... originalgetreu restauriertes Fahrzeug

    ... zeitgenössisch originaler Zustand ...


    ... womit wir den hier schon erwähnten Begriff ›zeitgenössisch‹ wiederfinden. Dieser wird auch in Oldtimer-Gutachten verwendet, in denen zu den Anforderungen des Kataloges nach § 23 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für u. a. alle Hauptbaugruppen des Fahrzeuges Stellung genommen wird.


    Mit ›zeitgenössisch‹ wäre die Sprache der am Zulassungsverfahren Beteiligten genau getroffen. Die erwogene Substantivierung (›Zeitgenossenschaft‹) beträfe hingegen einen völlig anderen Sachverhalt, worauf @Peterpump bereits hinwies. Es soll doch ausgedrückt werden, dass alle wesentlichen Bau- und Ersatzteile aus ›jener Zeit‹ stammen - also ›jezeitig‹ sind. Dieses vielleicht treffendere Adjektiv findet sich noch im von JACOB und WILHELM GRIMM begonnenen Deutschen Wörterbuch - ist aber heute nicht mehr in Gebrauch.


    So komme ich in diesem Wort-Gutachten zu dem Ergebnis: Schreib, was die hören/lesen wollen, auch wenn es im geforderten Zusammenhang genau genommen falsch verwendet wird, dies unter Verzicht auf eine (ohnehin nicht exakt vorhandene) Nominalisierung, von der zeitgenössische Sprachstilratgeber längst abraten, und somit dann doch besser ... ›zeitgenössisch‹.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0

  • Zeitgenössisch bezieht sich aber eigentlich auf die Gegenwart


    Eigentlich. Wie Egon18Geye95Allofs aber wie immer treffend ausgeführt hat, bezieht es sich im Zusammenhang mit Oldtimern genau nicht auf die Gegenwart. Aus zig Beispielen nur eines (hier: DEKRA):


    Die Bedingungen für das H-Kennzeichen:

    • Gültige Betriebserlaubnis oder Gutachten nach §21 StVZO (Einzelbetriebserlaubnis)
    • Begutachtung nach §23 StVZO (Verleihung zum „kraftfahrzeugtechnischen Kulturgut“ )
    • Guter, erhaltenswerter Zustand des Oldtimers
    • Ursprünglicher Zustand oder mit Originalteilen restauriert
    • Möglich: Zeitgenössische Umbauten oder Umbauten, die innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Erstzulassung erfolgten


    Heißt z.B., dass Du in ein Fahrzeug, das 1959 erstzugelassen wurde, z.B. ein Radio von 1968/69 einbauen "darfst" (die kann man auch heute noch kaufen), aber nicht eines, das es erst 1970 oder später gab. Genauer gesagt, müsste der Einbau sogar bis 1969 bereits stattgefunden haben, aber das kann ja keiner nachprüfen.


    Meine Frage scheint jedenfalls dahingehend beantwortet zu sein, dass es ein Substantiv zu "zeitgenössisch" schlicht nicht gibt. Erstaunlich!

  • Meine Frage scheint jedenfalls dahingehend beantwortet zu sein, dass es ein Substantiv zu "zeitgenössisch" schlicht nicht gibt. Erstaunlich!

    Stimmt, der Umwelt und Menschen zu liebe, dürfte es keine H Stinker geben.


    Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten Autos viel länger gefahren werden. So mindestens 50 Jahre. 8)


    Und hattest Du nicht mal 'nen stinkenden Zweitakt-Roller ewige Zeiten als Avatar?

  • Andere Frage:


    Ich höre oft die Podcasts von Christian Drosten in Sachen Corona. Und der sagt fast ausnahmslos "Teste" (als Plural von "Test"). M.W. ist der Plural von "Test" aber "Tests" (so sagt es auch die jeweilige Mitarbeiterin vom NDR).


    Da der Mann aber (auch sprachlich) nicht ungebildet ist - gibt es im medizinisch-wissenschaftlichen Kontext einen anderen Plural von "Test"?

  • Andere Frage:


    Ich höre oft die Podcasts von Christian Drosten in Sachen Corona. Und der sagt fast ausnahmslos "Teste" (als Plural von "Test"). M.w. ist der Plural von "Test" aber "Tests" (so sagt es auch die jeweilige Mitarbeiterin vom NDR).


    Da der Mann aber (auch sprachlich) nicht ungebildet ist - gibt es im medizinisch-wissenschaftlichen Kontext einen anderen Plural von "Test"?

    Nicht nur im medizinisch-wissenschaftlichen Kontext: Duden

  • Auch hier werden beide Varianten zugelassen.

    Alles was ich schreibe beruht auf Fakten oder Hörensagen oder weil ich es mir so denke.
    Manchmal rate ich auch nur.
    Auf jeden Fall ist es meine Meinung oder die von jemand anderen die ich zu meiner gemacht habe.

  • Der Test, die Tests - oder die Teste?


    Die von Christian Drosten verwendete Pluralform »Teste« fiel auch mir auf. Der Rechtschreib-DUDEN (welcher die gesprochene Sprache nur wiedergibt, sie hingegen außerhalb von Schule oder Behörde nicht normiert) kennt diese eher ungebräuchliche Variante, worauf hier schon hingewiesen wurde. Doch was hat es damit auf sich?


    Das Wort »Test« wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem gleichbedeutenden englischen ›test‹ übernommen. Als Verb ›to test‹ bedeutet es »prüfen, erproben, ausprobieren« und lieferte unser Verb »testen«, das für »durch Test feststellen, prüfen, untersuchen, erproben« steht. Soweit nichts Neues.


    Die Besonderheit ergibt sich erst aus der Herkunft des Wortes: Das englische Wort ›test‹ geht seinerseits auf das altfranzösische ›test‹ = »irdener Topf; Tiegel für (alchimistische Experimente)« zurück. Dieses nun wurde aus dem lateinischen ›testum‹ = »Geschirr, Schüssel« gebildet, welches vom Stammwort ›testa‹ = »Platte, Deckel, Tonschale, Scherbe« abgeleitet ist.


    Das deutsche Wort »test« gab es jedoch schon einmal in unserer Sprache: In einer frühen Entlehnung aus dem erwähnten Altfranzösischen ›test‹ (= »Topf, Tiegel«) bedeutete es in der Zeit vom Mittelhochdeutschen bis ins 19. Jahrhundert »Probier-, Schmelztiegel für die Prüfung von Silber«. Diese Bedeutung ist verblasst, und damit ist auch diese Variante des Wortes »Test« untergegangen. Die Mehrzahl dieses alten Wortes wurde, als es noch gebräuchlich war, mit einem -e gebildet: »die Teste


    Nun wissen wir also, dass es sowohl eine untergegangene alte Entlehnung (»der Test, die Teste«) als auch eine aktuelle Neuentlehnung (»der Test, die Tests«) des gleichlautenden Wortes gibt. Nicht selten halten sich die Grammatikformen untergegangener Wörter im Sprachgebrauch und werden einfach auf neue gleichlautende Wörter übertragen oder parallel beibehalten. Das ist auch hier geschehen.


    Es tritt ein zweites Phänomen hinzu: Wir kennen die Endung der Mehrzahl auf -s nicht nur aus dem Englischen, sondern sie ist auch im Süddeutschen verbreitet – mehr als im Norddeutschen. Mithin war und ist die Mehrzahl »Tests« dort sowohl aus der Übersetzung aus dem Englischen als auch aus der Gewohnheit gespeist. Viele grammatische Varianten wandern vom Süden gen Norden; in umgekehrter Richtung geschieht das nicht.


    Christian Drosten ist Norddeutscher. Er stammt aus dem Emsland [geb. in Lingen, Abitur in Meppen], und er geht als Erklärer mit der Sprache genauer um als mancher Wissenschaftsjournalist. Wie auch immer ihm die für uns ungewohnte Variante zur Gewohnheit geworden sein mag: Vielleicht verdanken wir ihm dereinst, dass die gleichfalls korrekte und sehr viel ältere deutsche Mehrzahlform »Teste« im sprachbereichernden Sinne wieder häufiger zu hören sein wird.





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    Was das alles (ausdrücklich nicht) mit Attest, Testat, Testikel, Testament, Zeugen und Zeugnis zu tun hat, ließe sich gesondert erzählen.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Egon18Geye95Allofs ()

  • Es tritt ein zweites Phänomen hinzu: Wir kennen die Endung der Mehrzahl auf -s nicht nur aus dem Englischen, sondern sie ist auch im Süddeutschen verbreitet – mehr als im Norddeutschen. Mithin war und ist die Mehrzahl »Tests« dort sowohl aus der Übersetzung aus dem Englischen als auch aus der Gewohnheit gespeist. Viele grammatische Varianten wandern vom Süden gen Norden; in umgekehrter Richtung geschieht das nicht.


    Dies ist/war mir nicht bekannt - Beispiele/Quellen?


    Ich kenne wohl den Klinsmannschen Relativsatz (von dem ich inständig hoffe, dass er auf seinem Weg Richtung Norden, Westen und Osten irgendwo stecken bleibt), und dass die "das Cola" und "das Mail" sagen - was aber beides mit dem Plural wiederum nix zu tun hat. 8)

  • Man kann auch päbstlicher sein als der Pabst.

    Urpi et Orpi? ;-)


    Oder meintest Du das große weiße Telefon der Burschenschaften?

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844

  • Ich bin Protestant, daher ist es mir egal wie sich das katholische Oberhaupt schreibt.:)

    Aber konsequenterweise hättest Du dann auch Oberhaubt schreiben müssen. :-D Übrigens haben die Kopten auch einen.

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844