Das aktuelle Wortstudio

  • Das Asoziale ist eine Untermenge des Sozialen und nicht das Gegenteil.

    Das habe ich auch nicht behauptet, aber social im angelsächsischen hat eine andere Bedeutung als sozial im deutschen Sprachraum.

    Sozial ist auch im Deutschen nicht so eindeutig, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen überwiegend verstanden wird.

  • Das habe ich auch nicht behauptet, aber social im angelsächsischen hat eine andere Bedeutung als sozial im deutschen Sprachraum.

    Sozial ist auch im Deutschen nicht so eindeutig, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen überwiegend verstanden wird.

    Was aber mit dem Entstehen der Sozialen Netzwerke zusammenhängt. Für mich war sozial immer eher mit dem Einstehen für Benachteiligte besetzt.

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844

  • Sozial ist auch im Deutschen nicht so eindeutig, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen überwiegend verstanden wird.

    Was aber mit dem Entstehen der Sozialen Netzwerke zusammenhängt. Für mich war sozial immer eher mit dem Einstehen für Benachteiligte besetzt.

    Ich hatte Bio LK, d.h. "sozial" hatte immer eine allgemeinere Bedeutung für mich. Musste daher erstmal überlegen, wo Dein Problem mit den "sozialen Netzwerken" war.


    dosti63 , das Verrückte ist ja, dass der Rucksack eines der in die englische Sprache eingewanderten Wörter ist und wir holen hier den Leichensack zurück.

  • Ähnlicher Fall: wenn man mit einem Amerikaner während der EM besprechen will, in einem öffentlichen Ort das Spiel auf einer Leinwand zu sehen, sollte man das Wort "Public Viewing" nicht benutzen.


    Das bedeutet dort hauptsächlich nämlich die Aufbahrung einer Leiche...

  • Sozial ist auch im Deutschen nicht so eindeutig, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen überwiegend verstanden wird.

    Was aber mit dem Entstehen der Sozialen Netzwerke zusammenhängt. Für mich war sozial immer eher mit dem Einstehen für Benachteiligte besetzt.

    Sehe ich anders. Von der ursprünglichen Bedeutung her ist sozial jede Interaktion des Einzelnen odervon Gruppen mit der umgebenden Gesellschaft. Zu meiner Studienzeit - Ende 1980er, Anfang 90er - gab es zwischen eher konservativen und linken Studierenden wie Lehrenden den Disput, ob man Fachrichtungen wie Politikwissenschaften, Soziologie,... als Geistes- oder Sozialwissenschaften bezeichnen soll.

  • Alles irgendwie richtig (und wie immer schwierig). Man kann sich sozial, asozial oder auch unsozial verhalten, alles fällt unter Sozialverhalten.

  • Ich habe gerade das zweifelhafte Vergnügen, mich mit den Regularien der Überbrückungshilfe III auseinandersetzen zu müssen. Unsere zuständigen Ministerien geben mir dazu u.a. folgenden Text an die Hand (Klick auf den Screenshot führt zur vollständigen Quelle):


    pasted-from-clipboard.png


    Na, da bin ich ja froh, dass ich keine Frau bin, und der zuständige Mitarbeiter bei meinem Steuerberatungsbüro ebenfalls. Anderenfalls wäre ich weder antragsberechtigt noch könnte der Antrag geprüft und somit gestellt werden. Bemerkenswert auch das von mir oben rot und schmal umrandete Wort "er", das im Original tatsächlich und offenbar bewusst kursiv gesetzt wurde, um das Maskulinum hier nochmal hervorzuheben und damit klarzustellen, dass Frauen keinen Anspruch auf Überbrückungshilfe III haben.


    Nun frage ich mich: wenn die Bundesregierung aber gewollt hätte, dass auch Frauen und sogar Diverse Anspruch auf Überbrückungshilfe III haben sollen, und deren Anträge auch von weiblichen/diversen Steuerberatern/Rechtsanwälten geprüft werden dürfen, wie wäre das dann korrekt zu gendern? Mit dem Sternchen alleine kommen wir hier ja nicht weiter, also dann etwa so:

    • "der Antragsteller" => "der/die/das Antragsteller*in"?
    • "des Antrags(s)tellers" => "des/der Antrags(s)steller*in"?
    • "der prüfende Dritte" => "der/die/das prüfende Dritte"? (ein "Dritt*in" darf man wohl verwerfen)

    Das lässt mich ratlos zurück, aber vielleicht weiß ja jemand Bescheid.

  • Im Diskussionsstrang, der mit einer Redewendung betitelt ist, welche das erlebte Leid am empfundenen Ärgernis in derber Diktion umschreibt, wurde in dieser Woche von der übermäßigen Verwendung eines Bekräftigungswortes berichtet, das einer näheren Betrachtung im ›Aktuellen Wortstudio‹ würdig ist.



    »… – genau!«


    In den Beiträgen wurde die Verwendung von ›genau[ursprüngliche und inzwischen verschwundene Wortbedeutung: ›räumlich nah‹] insbesondere in der Variante als wiederholte Anschlussbemerkung eines Sprechers an seine eigenen einzelnen Aussagen angesprochen. Das Adjektiv ›genau‹ hat hier die Funktion eines pragmatischen Phraseologismus – also einer gesprächsspezifischen gebrauchsfertigen Routineformel, mit der die eigene Aussage bekräftigt wird. Zuweilen wird sie eher mit fragender Betonung gesprochen, ähnlich wie das langgezogene ›okay‹, welches dem Gegenüber nicht etwa ein Einverständnis signalisieren soll, sondern nur als Bestätigung dafür dient, dessen Wortbeitrag verstanden zu haben.


    Solche Bekräftigungen, zu denen auch die im Forum hin und wieder zu lesende Wendung ›Das ist Fakt!‹ oder ein zusätzlich die Aussprache beenden sollendes ›Punkt!‹ zählen, täuschen eine Sicherheit bezüglich des Inhalts der getroffenen Aussage vor, die der Sprecher vermutlich gar nicht hat. Warum sonst sollte er mit einem rhetorischen Kniff Zweifel zerstreuen und Entgegnungen vorbeugen wollen, bevor sie geäußert werden?


    Wer sich seiner Aussage sicher ist, benötigt keine Bekräftigungen. Für den wachen Zuhörer sind solche Bekräftigungen hingegen ein Indiz dafür, die getroffene Aussage besonders kritisch zu prüfen. Gleiches mag gelten für vorangestellte Behauptungen der Unumstößlichkeit einer Aussage: »Denn eins ist klar, Herr Lanz: … «, leitet der Bayerische Ministerpräsident oftmals einen Meinungsbeitrag ein, der vom Zuhörer möglichst als nicht weiter zu diskutierende Tatsache gewertet werden soll.


    Im Beispiel ist es die absichtliche Verwendung eines Berufspolitikers. Bedauerlich wird es, wenn im Alltag auf solche Sprachschablonen unbewusst und fortgesetzt zurückgegriffen wird und sich die Sprecher damit der Mühe entziehen, sorgfältig und präzise zu formulieren.



    Am Ende des Tages


    In der Aussprache im Nachbarstrang zu ›genau‹ wurde auch die Redewendung ›am Ende des Tages› erwähnt, welche geplagte Fortunen einst von einem inzwischen ehemaligen Sportvorstand in ihrer Häufung zu ertragen hatten. Deshalb auch dazu noch ein Wort:


    Diese von Unternehmensberatern, Managern und anderen Personen, die sich gerne reden hören, verwendete Phrase bezeichnet nicht etwa den ›Abend‹, sondern sie ist die wörtliche Übersetzung des englischen ›at the end oft the day‹. Sie soll bedeutsamer klingen als das treffendere ›schließlich‹ oder ›letztendlich‹, und sie soll die Weitsicht des Sprechers simulieren, der einen Zusammenhang oder eine Entwicklung exakt zu beschreiben weiß. Tatsächlich aber (Achtung: ›tatsächlich‹ leitet auch hier womöglich nichts anderes ein als eine Behauptung) ist die Wendung ›am Endes Tages‹ fast immer mit völlig banalen Hervorbringungen verknüpft, die auch durch die Einfügung dieser Phrase nicht aufschlussreicher werden.



    *****


    Das ist Fakt!‹, ›Punkt!‹, ›genau‹ oder ›am Ende des Tages …‹ – diesen inhaltsleeren und häufig irreführenden Ausdrücken auch des ›Business Bullshits‹ ist gemein, dass damit zumeist Meinungen (= Bekenntnisse) zu Tatsachen mit einem Wahrheitsanspruch (= Kenntnisse) erhöht werden sollen. Solcher Täuschung unterliegt der Sprecher selbst nicht selten als Erster.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0

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  • Zum Managersprech möchte ich noch das immer häufiger zu hörende "an dieser Stelle" ergänzen.

  • Zum Managersprech möchte ich noch das immer häufiger zu hörende "an dieser Stelle" ergänzen.

    ›Da bin ich ganz bei Ihnen‹, werter Forumskollege. Wir sollten uns auch hier ›proaktiv‹ darauf ›fokussieren‹, einen ›Mehrwert‹ zu ›generieren‹, der mindestens einen ›Quantensprung‹ für einen ›positiven Beitrag‹ darstellt und den ›Marktbegleitern‹ in Verbindung mit unserem ›Mission Statement‹ den unternehmensspezifischen ›Purpose‹ ›adressiert‹. Zumindest kann man das ›im Vorfeld‹ ruhig einmal ›andenken‹, später dann ›kommunizieren - schließlich sind wir mit unserem ›Mindset‹ und ›Geschäftsmodell‹ doch recht ›gut aufgestellt‹. Die ›User‹, mit denen wir uns ›committen‹, mögen dieses ›Wording‹ ertragen – oder auch nicht.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0

  • Ein Stück weit kann ich das auch für mich bestätigen, aber bin ich der Einzigste dem dieses "genau" noch nie nicht aufgefallen ist?

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844

  • Und Du bist nicht der Erste, der Einzigste schreibt. Es gibt dieses Wort nicht. Es heißt stets EINZIGE(R)(N).

    :-D schön, dass du drauf anspringst.

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844

  • Ein Stück weit kann ich das auch für mich bestätigen, aber bin ich der Einzigste dem dieses "genau" noch nie nicht aufgefallen ist?

    Das Problem ist fängt immer an, wenn es einem das erste Mal auffällt. Mein Schwager sagt immer "wie bereits gesagt", seltenst hat er dies bereits gesagt, zumindest mir nicht. Und heute im Radio ein Gespräch zum Tod eines Mangaka. Hier zum Nachhören. Jeder, der sich die Japanologin anhört, bei jedem "eben" einen Ouzo trinkt und anschließend noch sitzen kann, ist Schwerstalkoholiker.

  • Ein Stück weit kann ich das auch für mich bestätigen, aber bin ich der Einzigste dem dieses "genau" noch nie nicht aufgefallen ist?

    Das Problem fängt immer an, wenn es einem das erste Mal auffällt. Mein Schwager sagt immer "wie bereits gesagt" seltenst hat er dies bereits gesagt, zumindest mir nicht. [...]



    Also‹, es ist ›halt‹, ›wie gesagt‹, ›grundsätzlich‹ ›eben‹ so, dass diese ›sogenannten‹ Modalpartikeln ›freilich‹ ›ja‹ ›normalerweise‹ ›irgendwie‹ ›quasi‹ ›wohl‹ auch nur ›sozusagen‹ Füllwörter sind – sie ›aber‹ ›normalerweise‹ ›vielleicht‹ ›doch‹ ›schon‹ ›echt‹ ›ziemlich‹ enervieren.


    Nichtsdestotrotz‹ hören wir sie ›letzten Endes‹ ›meistenteils‹ ›hier und da‹ – ›sicherlich‹ ›könnte man sagen‹: ›praktisch‹ ›sogar‹ ›ziemlich‹ bis zum Überdruss.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0