Mir geht es auch überhaupt nicht um einen Zusammenhang "Armut = Drogenkonsum oder Sucht". Süchte (und auch der Drogenkonsum als Sucht) ziehen sich durch alle Gesellschaftsschichten. Neben der (verbotenen) Drogensucht gibt es noch viele andere Arten der Sucht, sei es eine Spielsucht, Zigarettensucht, Alkoholsucht oder gar etwas "banaleres" wie Videospielsucht, Handysucht oder gar Sexsucht. Unsere Gesellschaftspolitik geht aber davon aus, dass bei der Sucht der Stoff das Problem ist. Verbieten wir Drogen (bzw. den Handel damit) verhindern wir, dass es Angebot gibt und wo weniger Angebot bei gleichbleibender Nachfrage herrscht, steigt laut Gesetzen des Marktes der Preis, sodass die Nachfrage abnimmt - Das ist aber bei Drogen als Suchtmittel eben gerade nicht so. Die Nachfrage bleibt, egal ob das Angebot abnimmt oder der Preis steigt. Händler und Konsumenten werden lediglich in eine kriminelle Ecke verschoben, was wiederum andere Nebeneffekte mit sich bringt. Ein knappes Produkt wird gestreckt um mehr Einnahmen zu generieren und gleichzeitig müssen Süchtige erstmal das Geld aufbringen, um sich ihre Sucht leisten zu können. Für einige mag es kein Problem sein, für andere sorgt es aber für sozialen Abstieg bis hin in die Beschaffungskriminalität. Am Handeln selbst oder Konsum ändert sich indes überhaupt nichts. Drogen werden weiter gehandelt und Suchtkranke besorgen sie sich. Dafür ist der Markt zu lukrativ und die Nachfrage aufgrund der Sucht zu hoch.
Dabei ist die Sucht in den meisten Fällen lediglich ein Ausdruck tiefergehender Probleme, die man mit der Sucht versucht "in den Griff" zu bekommen, auszublenden, zu überdecken oder zu verdrängen. Der Krieg gegen Drogen wie ihn einige Industriestaaten (wie die USA) führen ist massiv gescheitert, die amerikanischen Gefängnisse Quellen über, BTM-Delikte und entsprechende Verfahren sind ebenso Alltag in der Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaften hierzulande. Drogenkartelle, Bandenkriege. Geändert hat sich trotz alle dem nichts. An Szeneplätzen wie dem Kotti wird fröhlich weiter gehandelt und gespritzt und man muss mancherorts aufpassen, in Ubahn/Bahn-Unterführungen nicht in Spritzen zu treten.
Als besseres Beispiel kann die portugiesische Drogenpolitik dienen, die Drogenhandel zwar nach wie vor pönalisiert, aber den Konsumenten und seine Probleme, die hinter der Sucht stehen, in den Mittelpunkt rückt. Konsum und Besitz sind nach wie vorne nicht erlaubt, aber man bestraft die Menschen nur noch in Ausnahmefällen. Die Strafverfolgung hat man stattdessen mit Anti-Drogenprogrammen ersetzt. Man hat den Drogenmissbrauch statt als Ordnungswidrigkeit/Verbrechen als eine Art Krankheit betrachtet und den Fokus darauf gelegt, den Menschen zu helfen, statt sie zu bestrafen. Seit Einführung des Programms 2001 nahmen Tode durch Überdosis und auch HIV-Infektionen im Land drastisch ab. Man half den Menschen mittels Therapien und anderen Maßnahmen wieder zurück ins Leben, in Arbeit und einen geregelten Alltag.
Natürlich hilft das auch nicht bei allen Menschen. Es gibt genügend Menschen, die nehmen Drogen und gehen einem geregelten Beruf, einem geregelten Alltag nach. Vor dem Hintergrund lässt sich auch generell die Frage nach einer liberaleren Drogenpolitik stellen. Warum ist Cannabishandel verboten und Alkoholhandel erlaubt? Zigarettenhandel? Wäre es nicht sinnvoller, sämtliche Drogen zu legalisieren und unter strenger staatlicher Kontrolle zu regulieren, was Verkauf und Produktion betrifft? So wäre niemand mehr gezwungen gestreckten Müll beim Dealer um die Ecke zu kaufen, sondern könnte sich legal sein Suchtmittel besorgen. Das würde zwar einen leichteren Zugang zum Suchtmittel ermöglichen, aber wenigstens die Ponälisierung des Süchtigen vermeiden. Dass dieses Mittel der Pönalisierung aber im Grunde keinen Effekt bei der Suchtbekämpfung hat, dass hat der "Krieg gegen Drogen" nachdrücklich bewiesen. Die Liberalisierung ist aber ein anderes Thema als der Umgang mit Suchtkranken. In beiden bräuchte es aber m.M.n. endlich ein gesellschaftliches Umdenken, um die wirklichen Probleme, die bei den meisten Menschen hinter der Sucht stecken, zu bekämpfen, statt sie zu Kriminellen zu machen und gesellschaftlich zu stigmatisieren. Und bei Menschen, die es trotz aller Bemühen nicht schaffen von ihrer Sucht loszukommen, kann es helfen, sie mit der entsprechend dosierten und nicht verunreinigten Droge zu versorgen, sodass sie ihre Sucht - kontrolliert - befriedigen können, ohne sich strafbar machen zu müssen. Sei es durch den Handel selbst oder die Kriminalität zur Beschaffung von Geld zum Erwerb des Stoffs.
In einer Zeit, wo unsere Bundesdrogenbeauftragten aber noch von "Cannabis ist verboten, weil es illegal ist" und "Cannabis ist kein Brokkoli" faseln, wird dieses Umdenken aber wohl noch lange auf sich warten lassen.
Anbei sehr interessant:
Warum der Krieg gegen Drogen gescheitert ist
Woher kommt eine Sucht
Zur Liberalisierung von Cannabis