Vorsicht mit diesem Optimismus, nicht von ungefähr haben Kaczynski, Orbán & Co. versucht (und teilweise erfolgreich durchgebracht), das Justizsystem zu ihren politischen Gunsten zu ändern ...
In Deutschland wäre der Weg über eine nur einfache Mehrheit statt der zunächst angenommenen beruhigenden Zweidrittelmehrheit so möglich, wie es etwa MAXIMILAN STEINBEIS, der Betreiber des lesenswerten ›Verfassungsblogs‹ hier zur Warnung aller bereits im Jahr 2019 im TAGESSPIEGEL beschrieben hat. Er sieht den kritischen Punkt in den per einfachem Gesetz änderbaren Regelungen für das Bundesverfassungsgericht:
»Wer am Grundgesetz etwas ändern will, braucht eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. […] Im Grundgesetz selbst ist geregelt, dass es das Bundesverfassungsgericht gibt und wofür, dass seine Richterinnen und Richter je zur Hälfte von Bundestag und Bundestag gewählt werden und dass ein Teil von ihnen vom Bundesgerichtshof, vom Bundesverwaltungsgericht und den anderen obersten Fachgerichten kommen muss. Alles andere aber, insbesondere „Verfassung und Verfahren“ des Bundesverfassungsgerichts (Artikel 94 Absatz 2 Grundgesetz), steht nicht in der Verfassung selbst, sondern in einem regulären Bundesgesetz. Das eine einfache Mehrheit im Bundestag ändern kann.
Mit einfachen Mehrheiten könnte man schon viel manipulieren
Bislang steht in diesem Gesetz, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen. Damit ist dafür gesorgt, dass die Regierungsmehrheit nicht immer nur getreue Gefolgsleute nach Karlsruhe schickt, damit die dort dafür sorgen, dass das Gericht ihr bei der Umsetzung ihres Programms nicht in die Quere kommt. Nichts würde dieselbe Regierungsmehrheit aber daran hindern, das Gesetz zu ändern und dieses Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit kurzerhand abzuschaffen.
Damit hätte sie noch nicht gleich das Verfassungsgericht unter ihrer Kontrolle: Bis genügend Posten in den beiden Senaten frei werden, dass sich die Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten drehen, würden womöglich Jahre vergehen. Da könnte sie aber nachhelfen: Sie könnte die Zahl der Richterposten in den Senaten erhöhen, von acht auf zwölf etwa. Sie könnte auch einen dritten Senat schaffen und komplett selbst besetzen. Sie könnte diesem dritten Senat alle politisch kritischen Verfahren zuschieben.
Wem dieses Szenario zu weit geht: Sie könnte sich auch damit begnügen, für so genannte „normverwerfende“ Urteile – also solche, die Gesetze für verfassungswidrig erklären – im Senat eine Zweidrittelmehrheit zu verlangen. Diese Forderung wurde aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag immer wieder mal erhoben. Dann würde schon eine regierungshörige Sperrminorität von drei Richtern pro Senat genügen, um das Verfassungsgericht effektiv zu neutralisieren.«
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Quelle: https://www.tagesspiegel.de/po…r-verfassung-4067614.html | abgerufen am 21.12.2023
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