Eine sehr gewagte Aussage. Warst Du denn schon mal in Islamischen Ländern?
Hast Du Dir angesehen, wie dort die Religion die staatlichen Gesetzte, das öffentliche Leben, die Ausbildung, die Wissenschaft und die Kunst beeinflusst.
Weißt Du nicht , dass in vielen islamischen Ländern ein "Wächterrat" (oder ähnliches) eine die "nicht aus Geistlichen" bestehende Regierung" überwacht und Regierungshandeln auf Konformität mit dem Islam kontrolliert?
Oder hast Du schon mal erlebt, wie die Religionspolizei zur religiösen Kontrolle in Dein Hotelzimmer eindringt?
Hast Du schon mal gehört, dass in Islamischen Ländern Menschen zum Tode verurteilt werden, die an der Existenz Gottes öffentlich zweifeln? (Hierzu sind mir aktuelle Fälle in Saudi Arabien, Mauretanien, Ägypten, Iran und Bangladesch bekannt. Einen aktuellen Fall aus einem der genannten Länder unterstütze ich persönlich. )
Und so weiter... Deine Aussage, dass Religion im Islam Privatsache sein soll, ist meines Erachtens also nicht durch den gelebten Islam in islamischen Ländern gedeckt. Und auch nicht durch die Aussagen des Koran oder der Scharia - im Gegenteil! Die Trennung von "spirituellem Glauben" und Leben in der Gemeinschaft (Staat) gibt es nicht!
(Den Anspruch das Leben der Gläubigen bis ins Detail zu bestimmen haben übrigens ALLE großen Religionen gemeinsam!
Auch der Buddhismus, der Hinduismus und das Christentum. In Westeuropa, wurde allerdings durch den Siegeszug der Wissenschaft und Aufklärung eine formale - leider noch sehr lückenhafte - Trennung von Staat gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen durchgesetzt.)
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Super, dass du nicht den Unterschied zwischen Islamismus und Islam verkennst - Das, was du beschreibe (in einem total besserwisserischen Ton) ist eben Letzteres. Syrien zum Beispiel war, wie der Iran auch bis zum Bürgerkrieg, respektive der Revolution 1979 gesellschaftlich (!) die liberalsten Staaten im Nahen Osten. Frag mal die Exilperser in Deutschland. Afghanisten war ebenso modern bis zum Bürgerkrieg in den 80ern, als die Sowjets meinten, dort eingreifen zu müssen - erst durch das Ausspielen der extremen Splittergruppen gegen den jeweils anderern Gegner durch die Weltmächte wurde Afghanistan zum Gottesstaat.
Gerade die von dir aufgezählten Länder (Ägypten stimmt nur bedingt) sind die schlechtesten (bzw. besten) Beispiele, warum Religion und Staat getrennt sein müssen. Und genau dies ist das Problem, was den Islam oft schlecht darstehen lässt. Wir alle kennen den Islam als eigene Religion nicht, wir kennen ihn fast ausschließlich durch Medien und Dritte aber nie, weil wir selber ihn praktiziert haben und seine Komplexität kennen. Ein großer Fehler ist, dass wir genau das tun, was manche Glaubensschulen wie die Wahabiten oder Salafisten machen - nämlich den Koran "für sich" zu deuten. Gerade bzgl. dieses Themas kann ich jedem empfehlen mit einem echt praktizierenden Moslem dies mal durchzugehen - selbst für Muslime ist "der Islam" nicht "der Islam".
Und zum Thema Wissenschaft ... Der "Blütezeit des Islam" (die Zeit von der maurischen Eroberung Spaniens bis etwa den Kreuzzügen), waren Orient und Andalusien es, die Europa in Wissenschaft und Philosophie weit überlegen waren - erst mit der Herausbildung des geistlichen Dualismus zwischen Persien und den Osmanen und den sich verbreitetenden neuen Glaubensschulen ist diese Periode zuende gegangen.
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Lieber Mexdus, dann erkläre doch einfach mal den Unterschied zwischen Islam und Islamismus. Und wie verhält sich das Leben und die Taten Mohammeds dazu. (Literaturempfehlung dazu: "Hamed Abdel Samad: Mohammed". Wie Du weißt sind im Koran die Suren nach ihrer Länge sortiert. Abdel Samad sortiert die Suren nach ihrer Entstehung und bringt sie in Zusammenhang mit der jeweiligen Lebenssituationen Mohammeds. Äußerst aufschlussreich.)
Ich verstehe das so: Religiöser Fundamentalismus (also auch Islamismus) ist zunächst mal das "wörtlich nehmen" der Heiligen Schriften und/oder eine starke die Orientierung am Vorbild der Religionsstifter oder anderen Persönlichkeiten. (Gibt's auch bei den Christen (Kreationisten, Evangelikale usw.) und allen anderen großen Religionen.)
Da der Koran - anders als die Bibel mit ihren Geschichten und Gleichnissen - als von Gott offenbarte Handlungsanweisung(!) zu verstehen ist, sind diese Anweisungen nicht abänderbar. Und es gibt keine Institution, die islamweit die Autorität hätte etwas zu ändern oder umzuinterpretieren. (Die katholischen Christen haben zumindest den Papst, der - wie jüngst geschehen - mal die Todesstrafe ächten kann, obwohl sie in der Bibel und von Gott persönlich oft angewendet wurde.) Solch eine Institution gibt es im Islam nicht. Und erst recht nicht sind das die modernen europäische Islaminterpreten wie Mouhanad Khorchide oder Seyran Ates (die wegen ihrer Koranauslegung unter Polizeischutz leben muss).
Der Islam sieht zudem das Leben des Propheten als vorbildlich an, dass zu großem Teilen (mindestens 622 bis 632) aus Krieg und Kampf bestand, nachdem er 610 den Monotheismus zu predigen begann.
Fazit: Der "...ismus" führt zum eigentliche Kern der Religion.
In den Staaten, die Du nennst (Syrien, Afghanistan, Iran) haben sich die dort lebenden Menschen - zu den von Dir genannten liberalen Zeiten - NICHT um die Vorschriften der Religion gekümmert. Jedenfalls nicht ernsthaft und fanatisch, was ich aus eigener Anschauung zu der Zeit dort vor Ort (76 in Syrien, 77 in Afghanistan und Iran) voll bestätigen kann. Aber Fakt ist: nicht die Religion war liberal - sondern die Menschen haben sie in weiten Teilen ignoriert. (Es war damals dort so ähnlich wie derzeit bei uns. Religion läuft dabei irgendwie nebenher und bestimmt NICHT das alltägliche Leben.)
Du hast Recht: erst die westlichen und sowjetischen Einmischungen haben Religion im Islamischen Raum wieder besonders wichtig gemacht. Das hat zu einem (erneuten) Erstarken der reformatorischen Kräfte (Salafisten, Wahabiten, fundamentalistische Schiiten) geführt, die sich auf die Ursprünge des Islam zurückbesonnen haben, und ihn dann noch als Gegensatz zum westlichen Lebensstil positioniert haben. Das ist die Situation die wir jetzt haben.
Und Religion und Staat kann man - aus der Sicht der Religion(!) - nicht trennen. Denn "Religion" glaubt ja immer sich auf "göttliche Anweisungen" stützen zu können. Und die sind - aus Sicht der Religion(!) - immer höher zu bewerten, als von Menschen entwickelte Gesetze. Aus Sicht der Religionen ist das völlig logisch. Deswegen haben nahezu alle religiös ausgerichtete Staaten religiöse Kontrollgremien, wie den "Wächterrat" und ähnliches. (Wohlgemerkt: Nicht nur im Islam. In Bhutan (einem streng buddhistischen Land) zum Beispiel wird kein Gesetz vom König unterschrieben, dass nicht die Zustimmung der Mönche hat.)
Ich halte das natürlich für falsch. Religionen sind Erfindungen der Menschen, sie orientieren sich an Vorstellungen in die Zeit, in der sie erdacht wurden (wie Grimms Märchen). Sie dürfen nicht länger Maxime für staatliches Handeln sein.
Erst wenn wir strikt säkulare Staaten haben, dann kann man einen religiösen Glauben als Privatsache(!) leben. Dann können auch vielfältige Vorstellungen über den Sinn des Lebens und über ein eventuelles Jenseits friedlich NEBENEINANDER gelebt werden.
Auch bei uns in Deutschland ist noch ein weiter Weg zu gehen, um Staat und Religion völlig zu trennen. Aber in den heutigen etwa 40 islamischen Ländern ist die Strecke um ein vielfaches länger.
Mit der Blütezeit des Islam hast Du Recht. Die erfolgte allerdings nach heftigen und brutalen Eroberungskriegen, wobei nicht Konvertierungswillige extremst unterdrückt wurden (Steuern, Sklaverei, Ghettoisierung, Vernichtung usw.) Im christlichen Europa herrschte dabei extrem finsteres Mittelalter, weil die Kirchen die Erkenntnisse der antiken Philosophie unterdrückten und vernichteten.
Aber auch die letzten paar hundert Jahre kam aus der Islamischen Welt nichts, wann an diese 1000 Jahre zurückliegende Blütezeit anknüpfen könnte. Oder übersehe ich was?