Meine Eltern hat Fußball nie wirklich viel interessiert. Ich bin als Kind in einen Judoverein gegangen und war zufrieden damit. Mit Fußball konnte ich nicht viel anfangen. Den gab's nur in der Schule, und da waren diejenigen, die in einem Verein waren, natürlich immer besser.
2002 habe ich im Alter von 11 Jahren das erste mal eine WM bewusst und intensiv verfolgt. Dann war -abgesehen von der ruhmreichen EM 2004- erstmal wieder Schicht im Schacht mit Fußball. 2006 hat mich dann mit damals 15 Jahren die WM so fasziniert, dass ich mir vorgenommen habe, mir jedes noch so unwichtige Nationalmannschaftsspiel im TV reinzuziehen. Doch je häufiger ich mit meinem Bruder vor'm Fernseher saß, begannen zwei Dinge in uns zu wachsen. Zuerst fingen wir an, uns mit anderen Jungs aus dem Dorf zu treffen, um auf einem Kleinfeld zu zocken. Wir waren vielleicht schlecht, aber es hat Spaß gemacht, und mit der Zeit wurden wir sogar etwas besser. Wir interessierten uns nun auch für Bundesligafußball und zur Saison 2007/2008 kaufte ich mir dann mein erstes Kicker-Sonderheft.
Irgendwann reichte uns das Fernsehen nicht mehr, und wir wollten ins Stadion. Wir wollten die Emotionen, das Event, die Stars, die wir aus dem Fernsehen kannten. Doch zu welchem Verein ? Die meisten unserer Freunde waren und sind Gladbacher, ein paar *ölner gab es auch noch, vereinzelt noch Leverkusener, Schalker und ein paar Dortmunder, zu denen wir aber damals keinen Kontakt hatten. Doch dann hatten wir eine Idee.
Ein Kumpel hatte einen Vater, der "früher mal" zur Fortuna gegangen ist. Auf Anhieb gefiel uns die Idee richtig gut, da "im Laufe der Saison" mal vorbeizuschauen. Regionalliga, das klang nicht gerade nach Fanmassen, aber "für den Anfang", dachten wir, wäre das ja vielleicht gar nicht mal so schlecht. Fortuna klang -im Vergleich zu Gladbach und *öln- total alternativ, nicht unbedingt wegen DTH, wir kannten eigentlich überhaupt niemanden, der da hingegangen wäre, und darin lag vielleicht auch ein bisschen der Reiz. Provozieren und so. Wir verfolgten die Saison der Fortuna dann größtenteils per Antenne-Düsseldorf, und freuten uns, wenn Fortuna gewann. Eigentlich hätte unser erstes Spiel dann gegen Dynamo Dresden sein sollen, ein Verein mit Namen, der einem was sagt. Fortuna : Dynamo klang nach West:Ost und nach viel Emotion. Durch eine Laune des Schicksals wurde es dann aber der 1.FC Magdeburg. Wir bestellten uns Karten für den Familienblock 9. Wir dachten "lieber nicht zu den ganzen Prolls und Extremfans". Außerdem erste Reihe. Ganz nah' dran am Spielgeschehen. Die Spieler kannte ich nur aus dem Radio. Ihre Gesichter hatte ich noch nie gesehen. In der Pause holte ich mir ein Trikot, die Stimmung gefiel mir, obwohl Fortuna hinten lag, kämpfte sie unerbittlich weiter. Das hat mir imponiert. Nach dem Spiel sind wir "falsch rum" um die Arena gelaufen, um wieder zur U-Bahnstation zu kommen, also mitten durch die Magdeburger Fans, inklusive anpöbeln lassen. Zwei von uns vieren habe ich nie wieder bei Fortuna gesehen.
Mein nächstes Spiel war gegen RWO. Ich saß im Oberrang, weil ich vermutete von dort aus "die Taktik und Aufstellung besser zu sehen". Fortuna gewann 3:0, die Stimmung war super und nach dem Spiel ließ ich mir Marco Christ auf mein Trikot flocken. Die restlichen Heimspiele der Saison schaute ich mit meinem Bruder dann immer vom Oberrang aus. Beim Spiel gegen Babelsberg fragte uns eine ältere Dame, ob wir nach Erfurt fahren würden. Meine Antwort. "Näääää, wir sind Schüler, das können wir uns doch nie leisten !" Dass auch junge Leute z.B. mit Fanbussen oder Deutschlandtickets quer durch die Republik fahren würden, war für uns unvorstellbar, zumal der WDR ja live übertrug. Die Stimmung hatte uns jedoch angefeuert, und so wechselten wir zur Dritlligasaison 08/09 dann in den Unterrang, bis auf ein paar Ausnahmen. Die Heimspiele besuchten wir, sooft wir konnten. Unser erstes Auswärtsspiel war dann in Paderborn, Offenbach, Wuppertal und Braunschweig ( ) sollten folgen.
Seit 09/10 hat mein Bruder eine DK, seit dieser Saison auch ich. Mittlerweile fahre ich mittwochs nach Ingolstadt und lediglich das verpasste Spiel in Aue trennt mich von einer perfekten Hinrunde. Und in diesen fast drei Jahren haben nur selten Leute die "großartige Tradition an die nächste Generation weitergereicht". Wenn ich mich auf langen Fahrten nach Ingolstadt, Berlin oder Cottbus mit meinen Mitfahrern unterhalte, dann geht es viel häufiger um die ganzen Geschichten neben dem Fußball, um die eigene Geschichte, über geile Auswärtsfahrten und nette Stadien. Klar, ein paar Namen kriegt man mit, und das "Deutscher Meister 33" sowie die Pokalserie erfüllen einen schon irgendwie mit Stolz. Aber ganz ehrlich, vorher hatte ich davon keine Ahnung, und das Alloffs mal bei Fortuna gespielt hat, hat mich überrascht.
Die Moral von der Geschicht : Zu welchem Verein man geht, wenn man nicht von Onkel Helmut als kleener Penz mitgeschleift worden ist, daran verschwendet man relativ wenige Gedanken. Vor allem fragt man sich nicht, ob der Verein jetzt eine ruhmreiche Vergangenheit hat. Da wäre ich dann wohl eher bei Gladbach gelandet. Dass ein erfolgreicher Verein Fans anzieht, liegt in der Natur der Sache. Den Vorwurf mache ich nicht den Hoffenheimer Fans, die genauso Fans werden können wie du und ich, sondern Herrn Hopp, der sich auf Profilierungsgründen einen Bundesligisten gezüchtet hat.
Und wenn ich in zwei Jahren vom Klischee-eventie zum nahezu-Allesfahrer werde, der sich die Zwote dienstags in Herne gibt, warum sollte ein Hoffenheimer das nicht können ?