Pressemitteilungen – ein Rundumschlag
Pressemitteilungen sind ein viel genutztes Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und sollen als Mitteilung des Informationsanbieters die Informationsverwerter – das sind die Redaktionen von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen – zu journalistischer Verwertung anregen. Nur allzu oft besteht die ›Verwertung‹ durch Zeitungsredaktionen im unveränderten Abdruck. Drei Beispiele fanden in jüngster Zeit als Zitate ihren Weg ins Forum und laden zur näheren Betrachtung ein:
1 | Laura Becker leitet ab heute als General Manager die MERKUR SPIEL-ARENA
»›Laura gehört zu der neuen Generation von Veranstaltungsstätten-Manager:innen, die mit Leidenschaft, Engagement und Professionalität den heutigen und zukünftigen Anforderungen an die Leitung eines State-of-the-Art Stadions entspricht. Sie ist fokussiert auf die Bedürfnisse unserer Kunden, die Wünsche und Anforderungen unserer Besucher:innen und ein echter Teamplayer – mit all diesen Qualitäten wird Laura gemeinsam mit ihrem Team den Herausforderungen des wettbewerbsintensiven Marktes entgegentreten. Und wir sind stolz, wieder eine Mitarbeiterin aus unserem Team konsequent weiterentwickeln zu dürfen‹, sagt Michael Brill, Geschäftsführer D.LIVE.«
Quelle: https://www.eventlocation-stad…er-die-merkur-spiel-arena
Was erfahren wir hier?
1. Behauptung: Es gebe eine neue Generation von Veranstaltungsmanager:innen
=> Laura Becker wird uns demnach sogleich als Vertreterin einer neuen Generation vorgestellt. Aha.
2. Behauptung: Diese Generation zeichne sich durch u. a. durch ›Leidenschaft‹ aus, welche den Anforderungen an die Leitung eines Stadions entspreche.
=> Was genau ist ›Leidenschaft‹? Philipp von Zesen (1619–1689) führte den Begriff für das lateinische Wort passio [= Leiden, Martyrium] in die deutsche Sprache ein. Heute verstehen wir darunter anderes: die große Begeisterung, ausgeprägte [auf Genuss ausgerichtete] Neigung, Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, für eine bestimmte Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet.
Solches erwarten manche Arbeitgeber von ihren Angestellten, und nicht wenige von denen sprechen auch selbst davon, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen. Können die das ernst meinen?
3. Laura Becker ist ›fokussiert auf die Bedürfnisse unserer Kunden und Besucher:innen‹.
=> Wer wollte da annehmen, dass sie vor allem für D.LIVE und Herrn Brill Geld verdienen soll?
4. Laura Becker wird den Herausforderungen (von irgendetwas) ›entgegentreten‹.
=> Wäre ihr nicht eher zu wünschen, diese zu bewältigen?
2 | Das sagt Murat Beyazyüz, Peker Holding, zu deren Beitrag zu Fortunas geplantem Funktionsgebäude:
»Wir haben in den Gesprächen mit den Verantwortlichen der Fortuna schnell gemerkt, dass wir eine gemeinsame Idee der Zusammenarbeit verfolgen. Die Werte Familie, Tradition, Vielfalt, Zusammenhalt und transparente Kommunikation werden bei der Fortuna und bei Peker sowie unseren Partnern großgeschrieben. Mit diesem gelebten Umgang wollen wir – im Rahmen dieser strategisch ausgelegten Partnerschaft – durch Verlässlichkeit und einen hohen Qualitätsanspruch dabei helfen, den Verein zukunftsfähiger zu gestalten. Denn wir sind aufgrund der professionellen Zusammenarbeit mit dem Vorstandsteam um Thomas Röttgermann vom eingeschlagenen Weg der Fortuna überzeugt. Dank gilt auch meinem Team und besonders Andreas Nawrocki. Dadurch sind für uns die Vision und Entschlossenheit des Vereins spürbar geworden. Auch die Gespräche mit der Stadt laufen – wie bei unseren bisherigen Projekten in Düsseldorf – sehr konstruktiv und vertrauensvoll. Daher freuen wir uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit mit Stadt und Verein.«
Quelle: https://rp-online.de/sport/fus…aid-64351455#successLogin
Hier werden Werte behauptet, die jenseits kommerzieller Interessen zu liegen scheinen und deren praktizierte Existenz (= der behauptete ›gelebte Umgang‹) im Einzelnen zu prüfen wäre:
• Familie
• Tradition
• Vielfalt
• Zusammenhalt
• transparente Kommunikation
Alle diese Werte werden hier unserer Fortuna zugesprochen. Insbesondere am Vorhandensein der letztgenannten, der ›transparenten Kommunikation‹, seien Zweifel bekundet.
Der Sprecher vergisst nicht, sich und den Hauptverantwortlichen auf Fortunas Seite, eine ›professionelle Zusammenarbeit› zu bescheinigen. Das wird dieser gerne gehört haben. Hasan Peker selbst versteht sich in besonderer Weise aufs Schmeicheln, wenn er in einer anderen Mitteilung, der anlässlich der Grundsteinlegung für das Northgate-Bauprojekt, seine Freundschaft zur Stadt Düsseldorf betont und dabei den orientalischen Mystiker Mevlana zitiert:
»Die Tür wird sich öffnen, wenn man weiß, wie man klopft.«
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/ad…duesseldorf/25031720.html
Anstelle eines Kommentars sei hier aus Gracians ›Handorakel und die Kunst der Weltklugheit‹ [1647] erwidernd zitiert:
Man darf nie dem kleineren Übel die Tür öffnen: denn hinter ihm werden sich stets viele andere und größere einschleichen.
Quelle: Gracián, Handorakel und die Kunst der Weltklugheit (Oráculo manual y arte de prudencia), 1647. Erste deutsche Übersetzung 1711. Hier in der Übersetzung von Arthur Schopenhauer 1828-32, Erstdruck 1871. [31.]
Wurden im Zusammenhang mit Fortunas Funktionsgebäude noch traditionelle Werte bemüht, so finden wir in einer
3 | Mitteilung des 1. FC Union Berlin
einen Fortschritt der Meinungsbeeinflussung durch Umwertung von Werten:
»Der Klubchef bezifferte "das tatsächliche Vermögen der Union-Gruppe" auf "über 250 Millionen Euro" und erklärte: "Wir schaffen durch die Aufnahme von Krediten Vermögen. Wir sind bereit, Verbindlichkeiten zu tragen. Damit haben wir null Probleme. Ich weiß, dass neumodern von Nachhaltigkeit und Schuldenfreiheit erzählt wird. Das sind alles Themen, mit denen befassen wir uns nicht.«
Quelle: https://www.kicker.de/union-mi…kordzahlen-881219/artikel
• ›Wir sind bereit, Verbindlichkeiten zu tragen.‹
=> Der Klubchef attestiert sich Mut zum Schuldenmachen, indem er dem Verein Lasten aufbürdet, an denen seine Nach- und Nach-Nachfolger noch zu tragen haben werden. Das ist das Gerede von angestellten Managern, welches von verantwortungsvollen Unternehmensinhabern nur höchst selten zu hören ist.
• Es werde ›neumodern‹ von Schuldenfreiheit erzählt, sagt jener Klubchef im Weiteren.
=> Er hält also das Vermeiden von Schulden, welches ehedem als tugendhaft galt, nunmehr für ›neumodern‹ mit der Konnotation von ›neumodisch‹. Einem an Schulden verdienenden Gläubiger mag das zupasskommen – dem Schuldner soll durch die Umwertung des Begriffes ein Skrupel genommen werden.
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Alle drei Beispiele zeigen einfältige Verdummungsversuche. Dem daran gewöhnten Publikum werden hingegen notwendige Fakten zur fundierten Urteilsbildung vorenthalten. Stattdessen wird es mit traditionellen Werten oder mit ins Positive gewendeten Bedeutungen von ehedem gegenteilig verstandenen Begriffen bedient. Die Sprecher geben sich dabei gerne so gemeinwohlorientiert, als sprächen sie für einen Wohlfahrtsverband. Das erspart ihnen darauf hinzuweisen, was sie tatsächlich wollen: Unser Geld/ihr Einkommen – von uns als Fan, als Zuschauer, als Konsument.
Dieses ganzen Gewäschs von Marketing- und Kommunikationsexperten, von Öffentlichkeitsarbeitern und Pressesprechern, von all jenen Schönrednern und ›Werte‹-Inanspruchnehmern ... bin ich einfach nur: überdrüssig.