Ich verstehe die ganze Diskussion nicht. Natürlich haben Fußballfans bestimmte Spielstile, die ihnen mehr oder weniger gefallen. Und manche davon sind epochal geworden: englischer Kick and rush, deutscher Kraftfußball, spanischer Tiki-Taka, brasilianisches Ballett, italienischer Catenaccio usf. Das hat aber doch auch einen Abnutzungseffekt, der sich auch mit Erfolgen einstellt: Irgendwann kann man das nicht nur deshalb nicht mehr sehen, weil es so voraussehbar ist, sondern auch deshalb, weil auch mal andere Spielstile sich durchsetzen sollen.
Letztes Beispiel war halt der sehr erfolgreiche spanische Stil. Den kann ich überhaupt nicht mehr sehen, auch wenn ich den sogenannten Guardiola-Fußball insgesamt für sehr anspruchsvoll und rundum gepflegt halte: reaktionsschnell, ballsicher, technisch sehr hochwertig, demütigend usf. Mit dem schmächtigen und kleingewachsenen Spielermaterial im Spanien dieser Jahre (2008-2012) hätte man aber kein körperliches Spiel oder Kick and rush aufziehen können. Nun hat sich auch Guardiola in England inzwischen weiter entwickelt.
Auch der sogenannte Catenaccio, den man wohl letztmalig in den 90ern bei Juventus gesehen hat, war ja nie ein reiner Abwehrschlachts-Kampffußball, sondern kam aus einem Bollwerk heraus mit technisch hochwertigen Elementen in der Spitze. Und selbst die deutsche Krafttruppe in den 80ern hatte hier und da auch Spielwitz. Und so weiter...
Von daher glaube ich schon, dass zum Beispiel Frankreich – und das schrieb ich schon bei der letzten WM – ein sehr vielseitiger Weltmeister ist, den man schlecht auf einen Stil reduzieren kann. Die können alles, aber fast nichts einzigartig. Außer das Tempo verlagern und auf Spielstände reagieren. Als Stil kommt bei denen, anders als bei dem Champagner-Fußball von 1998, nicht viel Prägendes in Frage. Mit Ausnahme der Tempo-Konter. Auf die sie sich aber zuletzt auch schon fast zu viel verlassen haben.
Persönlich stehe ich eigentlich auch mehr auf technisch anspruchsvollen Fußball und weniger auf das Kämpferische. Aber das ist oft die einzige und dann auch legitime Möglichkeit, seine Stärken in den Wettbewerb zu bringen. Mich nervt auch dieses "Wir wollen Euch kämpfen sehen" im Stadion bei uns. Aber gut, ist halt Fortuna.
Und Kroatien und Marokko sind dieses Jahr Kroatien und Marokko. Und Deutschland war in den 80ern eher Briegel. Und Spanien damals Iniesta oder Xavi oder so. Wenn das erfolgreich ist, sieht das eine Zeit lang gut aus. Und irgendwann auch nicht mehr. Und wenn er nicht erfolgreich ist, sieht technisch hochwertiger Fußball genauso lächerlich aus wie wild kämpferischer.