Das hatte weniger mit Hopp zu tun sondern vielmehr damit, dass 99% der Belegschaft selber lange Zeit keinen Betriebsrat haben wollten (insbesondere keinen mit Gewerkschaftsvertretern die keine Ahnung von einem Softwareunternehmen haben), zumal die freiwilligen Leistungen bei SAP (betriebl. Altersversorgung, freies Mittagessen, Firmenwagen, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Belegschaftsaktien etc.) auch schon zu Hopps Zeiten beispielhaft waren und man sich bei Problemen direkt an die AN-Vertreter im Aufsichtsrat wenden konnte.
Das hatte eine Menge mit Hopp und seinen demokratiefernen Einstellungen zu tun.
"Flammende, kämpferische Mails haben sie bekommen mit üblen Beschimpfungen ("Haut doch ab, ihr passt nicht zu SAP"), Buhrufe, Pfiffe, Schmähungen auf einer Belegschaftsversammlung, Drohungen von Vorgesetzten, sich bloß nicht zur Wahl aufstellen zu lassen. [...]
Mit Händen und Füßen wehrten sich die überwiegende Mehrheit der deutschen Mitarbeiter und das Top-Management gegen das Ansinnen der kleinen Truppe, im einzigen betriebsratsfreien Dax-Konzern ein solches Mitbestimmungsgremium zu installieren. Das passe nicht zur Konsenskultur des Unternehmens, hieß es. Und von den Gewerkschaften IG Metall und Verdi fremdbestimmt zu werden, komme schon gar nicht in Frage.
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Ganz anders werden sich später die beiden Betriebsratsvorsitzenden Helga Classen, 57, und Klaus Gassmann, 58, präsentieren. Sie bitten in einen Konferenzraum des Unternehmens - eskortiert von einer Vertreterin der Abteilung Unternehmenskommunikation.
Ein absolut unübliches Verfahren für ein mitbestimmtes Unternehmen, kein Betriebsrat eines Dax-Konzerns lässt es normalerweise zu, dass die Presseabteilung des Unternehmens bei Gesprächen mit Journalisten zuhört. Aber das passt zu der schon zum Mythos erhobenen SAP-Kultur des möglichst konfliktlosen Miteinanders über alle Hierarchieebenen hinweg.
Auf die hatten damals im heißen Frühjahr 2006 auch die Unternehmensgründer und Großaktionäre Hasso Plattner und Dietmar Hopp abgehoben mit ihrer Gegenoffensive contra Betriebsrat. Das Betriebsverfassungsgesetz und SAP passten einfach nicht zusammen, sagte Plattner. Und Hopp assistierte: "Ein von der IG Metall bestimmter Betriebsrat wird die Erfolgsgeschichte von SAP in Gefahr bringen". Er drohte sogar mit der Verlegung der Konzernzentrale aus dem mitbestimmten Deutschland.
Mit der Konsenskultur innerhalb des jüngst gewählten Betriebsrats ist das indes so eine Sache. Die "drei Musketiere" von der IG Metall, die einst den Anstoß für die Betriebsratswahl gaben, werden nach wie vor skeptisch beäugt von den 34 übrigen Gremiumsmitgliedern, die unter blumigen Listennamen wie "Wir für Dich" oder "Menschenverstand, Unternehmenskultur, Transparenz" angetreten waren, dem Gewerkschaftslager das Wasser abzugraben.
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Etwa die Sache mit den Gehältern. Da hatten die drei Metaller darauf gedrungen, die konzerninternen Gehaltsstufen für die Mitarbeiter transparent zu machen. Der Rest-Betriebsrat lehnte das ab, die SAP-Spitze wollte die Offenlegung gar gerichtlich untersagen lassen - ohne Erfolg.
Jetzt kann jeder Mitarbeiter sehen, dass SAP seine Mitarbeiter in 15 Gehaltsgruppen bezahlt, die je nach Tätigkeit von 18 791 Euro bis 214 548 Euro Jahresgehalt reichen und unterschiedliche variable Anteile enthalten. Für Schick und Kronig ein "Sieg über den alten Ungeist, Dinge unter der Decke zu halten". [...]
Bei aller Konsenskultur findet es Helga Classen "gar nicht so schlecht", dass durch formale Vorgaben der Betriebsverfassung Prozesse klarer definiert würden. So lobt sie etwa die Vorschrift, dass neue Stellen auch hausintern auszuschreiben sind.
Schick wiederum sagt: "In der Betriebratsarbeit hat sich gezeigt, wie wenig SAP-Mitarbeiter mit demokratischen Prozessen vertraut sind." Ein Betriebsrat sei "eben etwas anderes als ein Business-Meeting, wo alle mitreden und am Ende der Chef entscheidet", sekundiert Kronig.
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