Zitat aus dem damaligen post:
Ich weiß gar nicht,ob das hier schon so diskutiert worden ist, aber es gibt seit dem 05.12.2013 ein ziemlich wegweisendes und ziemlich erschreckendes Urteil des CAS in der Sache Fenerbahce ./. UEFA, das sich um die Frage „verschuldensunabhängige Haftung des Vereins für das Verhalten seiner Fans“ dreht.
Fenerbahce war, wie wir wissen, vom UEFA Pokal ausgeschlossen worden.Während des Spiels im August 2012 gegen Moskau waren 20 Bengalos angesteckt worden und verschiedene Objekte auf das Spielfeld geworfen worden (wobei ein Schiedsrichterassistent und ein Spieler verletzt wurden) und beim Spiel gegen Gladbach im Dezember 2012 wurden 37 Feuerwerkskörper abgebrannt. Deshalb musste im Februar 2013 das Spiel gegen Borisov unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Trotzdem gelang es einigen Personen Feuerwerkskörper und Bengalos teilweise an Fallschirmen von außen in den Stadioninnenraum zu werfen, wobei einer an der Auswechselbank landete, einer einen kleinen Brand verursachte und schließlich einer mitten auf dem Feld herunterkam, so dass das Spiel ca. eine Minute unterbrochen werden musste.
Fenerbahce hat (unter anderem) argumentiert,
- dass die verschuldensunabhängige Haftung aus Art.6 und 11 der UEFA Disziplinar Richtlinien gegen Art. 6 der Menschenrechtskonvention verstoße, der zum einen ein faires Verfahren und zum anderen den Grundsatz vorsieht, dass keine Strafe ohne Gesetz verhangen werden darf,
- dass die Bedingungen für die Anwendung des Art. 6 UEFA DR nicht erfüllt seien, weil das Verhalten der betreffenden Personen nicht „bei einem Spiel“ („at a match“) erfolgt sei,
- dass die Bedingungen für die Anwendung des Art. 6 UEFA DR nicht erfüllt seien, weil es sich bei den betreffenden Personen nicht um „Anhänger“ („Supporter“) von Fenerbahce gehandelt habe.
Der CAS hat diesen Argumenten eine Abfuhr erteilt:
1. Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ gelte nur für Strafverfahren, hier handele es sich aber um ein Zivilverfahren.
2. Nur weil eine verschuldensunabhängige Haftung eingeführt wird, handele es sich nicht um die Verweigerung eines fairen Verfahrens. Das Verfahren sei unabhängig von den angewendeten Grundsätzen fair. Die UEFA sei sogar nach den Statuten berechtigt, einen Verein ohne Begründung komplett aus der UEFA rauszuschmeißen, dann sei er aber erst recht berechtigt, gegenüber dem Verein nach seinen Grundsätzen Sanktionen zu erteilen.
3. Die verschuldensunabhängige Haftung sei auch deshalb unbedingt erforderlich, weil die UEFA sonst gar keine Handhabe gegenüber den Vereinen habe. Diese könnten nämlich sonst immer argumentieren, sie hätten alles ausreichende getan. Darauf kommt es aber im Falle der unbeschränkten Haftung ohne Verschulden nicht mehr an.
4. Das Verhalten von Anhängern „bei einem Spiel“ betreffe auch das Verhalten außerhalb des Stadions, sofern es geeignet ist, den geordneten Ablauf eines Spiels zu beeinflussen. Dies sei hier der Fall gewesen.
5. Der Begriff des „Anhängers“ eines Vereins wird bewusst nicht definiert. Dies geschehe deshalb nicht, damit jedem Verein bewusst sei, dass er für das Verhalten jeder Person hafte, die aus der Sicht eines vernünftigen und objektiven Betrachters für einen Anhänger des Vereins gehalten werden kann. Wichtige Indizien hierfür seien das Verhalten der Personen oder ihr Standort im Stadion oder seiner Umgebung.
In diesem Falle seien die Feuerwerkskörper nach Videoaufzeichnungen aus einer Fangruppe außerhalb des Stadions abgefeuert worden. In der ersten Instanz habe Fenerbahce sogar zugegeben, dass es sich um vereinsbekannte Störer handele, die sich bekanntermaßen an einem bestimmten Ort im Stadion aufhielte. Man habe einige dieser Personen identifiziert und mit Stadionverboten belegt (das war prozessual nicht geschickt, denn vor dem CAS hat man dann argumentiert, es handele sich deshalb schon nicht um Fans, weil man keinen davon kenne. Es handele sich um unbekannte Kriminelle, die keinerlei Beziehung zum Verein hätten).
Die Rechtsprechung des DFB ist bereits in der Vergangenheit nicht völlig losgelöst gewesen von den Entscheidungen des CAS und der Argumentation der UEFA. Insofern können wir uns darauf einstellen, dass die oben genannte Argumentation in dieser Konsequenz auch bei uns Einzug halten wird:
-> „Anhänger“ ist derjenige, der aus sicht eines vernünftigen und objektiven Betrachters dem Verein zugerechnet werden kann.
-> Vorfälle außerhalb des Stadions können dann sanktioniert werden, wenn sie Einfluß auf den geordneten Ablauf des Spiels nehmen können.
Da kann man kreativ werden: Der verzögerte Spielanpfiff, wegen Krawallen vor dem Stadion? Oder in der Altstadt und es deshalb einen Rückstau der Bahnen gegeben hat?
Eigentlich müsste dieses Urteil für viel mehr Gesprächsstoff sorgen …