Das ist völkerrechtlicher Schwachsinn vermischt mit russischen Propaganda-Müll. Nicht böse gemeint, ist aber so. Die Ukraine befindet sich in einem Verteidigungskrieg mit Russland, ihre Kampfhandlung sind solange sich der Weltsicherheitsrat nicht auf eine Friedenslösung einigen kann erlaubt und völlig gerechtfertigt (Kapitel VII, Art. 51 der UN-Charta). Wie soll sie da noch einen Angriffskrieg gegen Russland beginnen? Haben die Alliierten damals auch einen "Angriffskrieg" begonnen, als sie die Grenzen des deutschen Reichs überschritten haben oder aus der Luft Ziele in Deutschland angriffen?
Der Angriffskrieg wird definiert als:
Die Anwendung von Gewalt durch einen Staat oder Staaten gegen einen anderen Staat, ohne dass der Angreifer (oder ein anderer verbündeter Staat) entweder von dem angegriffenen Staat vorher selbst angegriffen worden wäre, ein solcher Angriff unmittelbar bevorstünde oder der angegriffene Staat dem Angreifer den Krieg erklärt hätte oder Teile seines Territoriums besetzt hielte.
Dass ein angegriffenes Land gleichsam auch strategische Ziele im Land es Angreifers zerstört, ist ein legitimes Kriegsziel. Nicht mehr und nicht weniger. Von daher: Angriffskrieg ist Schwachsinn. Wo kommt das also her?
Im Kreml weiß man ganz genau um die schmerzhafte Wirkung des Taurus, entsprechend hat man mittels des Leaks vor einigen Tagen das Narrativ kreisen lassen, Deutschland plane einen Angriffskrieg. Deutsche Generäle die planen, wie man Russland angreifen könne. Der Schwachsinn ist ja hier auch bereits seziert worden. Dieses Bullshit-Narrativ hat sich übrigens derart verselbständigt, dass Putin es gestern in einem Interview wieder einfangen musste. "Angst vor Deutschland" zeugt von Schwäche, daher ist er wieder auf die gute alte Atom-Drohung abgestiegen, sinngemäß man müsse sich keine Sorgen machen, schließlich habe Russland das fähigste atomare Arsenal der Welt. (Das bekannte Zeigen von Stärke, Macht, Gewalt und Potentialität) Dieses Angriffskriegsgelaber ist einfach nur dummes Propagandagequatsche aus dem Kreml, dass "nützlichen Idioten" als Futter dienen soll, insbesondere hierzulande die öffentliche Meinung im Sinne des Kremls zu beeinflussen. Und diese verbreiten hier einen Schwachsinn, den man im Kreml nicht mal selber glaubt. Wie so oft im Übrigen. Der Begriff "nützliche Idioten" kommt nicht von ungefähr.
Das Problem mit Taurus ist ein anderes: Diese Waffe wäre fähig, tief in Russland präzise empfindliche Ziele bis hinein in den Kreml zu vernichten. Was hätte es für eine Konsequenz, wenn eine von Deutschland gelieferte Rakete im Herzen des Kremls einschlägt und dort zu Zerstörungen führt? Wie würde Russland damit umgehen? Die Ukraine beteuert, sie würde dies nicht tun. Hat sie mit Scalp und Storm-Shadow bislang auch nicht, also vergleichbare, nähere Ziele innerhalb russichen Staatsgebiets ins Visier genommen. Dennoch traut man dem im Bundeskanzleramt nicht. Die einzige Garantie dafür, dass Taurus nicht vielleicht doch in den Kreml fliegt, wäre, wenn deutsche Soldaten in der Ukraine sind und bis hin zum Abschuss die Augen auf alles haben. Und das will man nicht, da man die Sorge hat, durch Präsenz deutscher Soldaten in der Ukraine und direkte Beteiligung an Kriegshandlungen doch auch offiziell zur "Kriegspartei" zu werden.
Legt man dieses Szenario zu Grunde, finde ich das Zögern des Bundeskanzlers nachvollziehbar. Jedoch halte ich die Prämisse des Kanzleramts für falsch, der Ukraine diesbezüglich nicht zu vertrauen. Für die Ukraine steht im Falle des Missbrauchs der Wegfall der gesamten deutschen Unterstützung auf dem Spiel. Und das kann sie angesichts der derzeitigen Lage überhaupt nicht leisten. Darüber hinaus sind auch ansonsten keine Fälle bekannt, in denen sich die Ukraine nicht an entsprechende Absprachen hinsichtlich des Einsatzes westlicher Waffen gehalten hat. Einzig beim Einsatz der russischen Freiwilligenlegion vor gut einem Jahr stellte sich einmal die Frage, woher die (zum Teil westlichen) Waffen dieser Soldaten eigentlich kamen, die gerade in der russischen Grenzregion ihr Unwesen trieben.
Das mit dem "Angriffskrieg" ist und bleibt aber völliger völkerrechtlicher Schwachsinn. Auch das mit dem Begriff der "Kriegspartei" ist so eine Sache. Es ist letztlich eine politische Diskussion und eher keine rechtliche. Rechtlich ist das relativ klar, was geht und was nicht. Die Frage ist hier letztlich was man will und was nicht.
Plötzlich meldet sich übrigens auch mal das parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste in einem seltenen Statement: Könnte echt tatsächlich etwas dran sein, dass Russland schon seit vielen Jahren einen hybriden Propagandakrieg gegen unsere freiheitliche Gesellschaft führt. "Die russische Bedrohung müssten endlich alle ernst nehmen."