"Hey Leute, jetzt lasst doch mal den lieben Tönnies-Wurstonkel in Ruhe, er hat sich doch entschuldigt, und dann ist so ein bisschen Rassismus in einer Rede doch kaum mehr der Rede wert.
Okay, zugegeben, er muss diesem vollkommen wirren Ansatz von ein paar Kraftwerken in Afrika anstatt echtem Klimaschutz in Europa auch vorher schon was abgewonnen haben. Der Behauptung, dass wenn dort öfter das Licht eingeschaltet sei, die Bewohner nicht den ganzen Tag wie jetzt nur herumvögelten. So was denkt man sich ja nicht spontan auf dem Rednerpult aus – oder doch?
Dazu muss er sich dann schon seit längerem mit ein paar Ideen angefreundet haben, die man üblicherweise in einschlägigen Internetportalen liest:
1. Klimaschutz in Europa ist Unsinn, solange die wilden Afrikaner sich vermehren wie Nagetiere.
2. Afrikaner wissen in der Dunkelheit nichts Besseres mit sich anzufangen als aufeinander rumzuhüpfen.
3. Afrikaner sind aus biologischen Gründen generell unzivilisierter als Europäer.
Das ist nicht nur extrem beleidigend, er zeigt auch, in was für unfassbar dummen Mustern der Miteigentümer von Europas größtem Schlachtkonzern denkt.
Ja, die Geburtenrate von Frauen in Afrika ist höher als in andern Weltregionen, aber das hat primär mit dem Wohlstand in diesen Ländern zu tun. Auch in Afrika ist die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten um 30 Prozent zurückgegangen, die wohlhabenden Länder liegen bei Werten von 2,5 – dem globalen Mittel. Der ach so zivilisierte Europäer hatte im 19. Jahrhundert ebenfalls gerne mal 10 Kinder, hat sich also offenbar regelmäßig miteinander in der Kiste vergnügt, anstatt sich mit Goethes Faust zu beschäftigen.
Ob ein paar ordentliche Kraftwerke verhindert hätten, dass Europa der zweitdichtest besiedelte Kontinent ist und die EU eine 2,5-mal so hohe Bevölkerungsdichte hat wie Afrika? Zudem ist es geradezu ekelhaft dreist, wenn jemand Europas größten Schlachtkonzern besitzt und ausgerechnet den Menschen in armen Regionen Vorwürfe in Sachen Klimaschutz macht.
Ein in Afrika lebender Mensch verursacht weniger als eine Tonne CO2 pro Jahr, den Rekord des Kontinents halten die Südafrikaner mit 7,4 Tonnen pro Jahr – und führen deswegen eine CO2-Steuer ein. Warum bekommen die zivilisierten Deutschen das eigentlich nicht hin? Die gesamten Emissionen aus afrikanischer Energie- und Transportwirtschaft lagen 2008 bei 650 Mio. Tonnen CO2. Deutschland emittierte da bereits mehr als das. Mehr als der gesamte, riesige Kontinent für seine komplette Energiewirtschaft.
Was genau sollen jetzt also 20 europäische Kraftwerke bringen? Sollen die Menschen in Afrika jetzt denselben Scheiß machen wie wir und ihre Wirtschaft auf fossile Brennstoffe ausrichten? Was für eine Zeitung muss man lesen, um im Jahr 2019 auf so eine vollkommen behämmerte Idee zu kommen? Wie kann man die in einem Redemanuskript unterbringen, ohne zu bemerken, dass man offenbar weder das Problem noch die Lösungen begriffen hat?
Wie viel Heuchelei kann man in einem Gehirn unterbringen, um ernsthaft Geld mit dem Schlachten von 20 Millionen Schweinen pro Jahr zu verdienen und trotzdem das größte Klimaproblem im Sex afrikanischer Bürger zu vermuten? Was glaubt der Mann, wie viel Regenwaldfläche mit Soja bepflanzt werden muss, bis seine Angestellten diese unvorstellbare Menge an Tiere auseinandersägen können? Aber das Problem ist, dass Afrikaner Bäume fällen, während die europäischen Urwälder ja tipptopp in Form sind.
Ach so, er hat sich jetzt entschuldigt. Schön. Weiß der Mann, was eine Entschuldigung ist? Vielleicht kann man ja auch nicht sein Leben lang in der Fleischbranche verbringen und zum Spaß Tiere erschießen ohne dass irgendwann Anstand und Moral dabei draufgehen.
Wenn ich jemandem aus Versehen auf den Fuß trete, kann ich mich entschuldigen. Wenn ich jemanden in einer Diskussion dumm nenne, aber das eigentlich nicht wirklich so meine, kann ich mich entschuldigen. Wenn ich aber hinter jemandem herlaufe und aus tiefster Überzeugung erkläre, er sei ein ekelhafter, kranker Typ und weniger wert als ich, dann ist eine Entschuldigung vollkommen sinnlos.
Ich kann auch nicht jemandem dreimal heftig ins Gesicht schlagen und dann einfach sagen „Oh sorry, das war nicht so gemeint.“ Es gibt Dinge, die kann man mit ein paar netten, mutmaßlich nicht mal aufrichtigen Worten nicht einfach aus der Welt schaffen. Dazu gehört, wenn ich 1,3 Milliarden Menschen für triebgesteuerter Wilde halte, weil die auf einem anderen Kontinent leben als ich.
Das ist dann kein Ausrutscher oder so was, wenn er das ernsthaft in einer Rede für die Handwerkskammer unterbringt, sondern tief in seinem Denken verankert. An dieser Stelle dann also Glückwunsch an alle Fleischesser: Wenn Ihr in Deutschland Schweinefleisch kauft, stammt das mit einer Wahrscheinlichkeit von 27 Prozent aus einer Firma in Rassistenbesitz.
Wenn das mal kein Ansporn ist, es mit Fakewürstchen zu versuchen…"
Der Graslutscher