Gott sei Dank, lange überfällig. aus NTV
Europas letzte Chance...
Die Zeit der Ungewissheit haben die europäischen Staaten größtenteils ungenutzt verstreichen lassen. Die Munitionsproduktion bleibt noch immer weit hinter den Versprechen an die Ukraine zurück. Es brauchte am Ende die tschechische Regierung, die über viele Wochen in ganz Europa mühsam Geld sammeln musste für Munitionsbestellungen außerhalb der EU. Frankreich, das hingegen auf Bestellungen in Europa pocht, rühmte sich im Januar mit einer geplanten Jahresproduktion von 36.000 Stück 155-mm-Artilleriegranaten. So viele, wie Russland an drei Tagen verschießt. Und ein zusätzliches Flugabwehrsystem vom Typ Patriot aus deutschen Beständen bekam die Ukraine erst, als Russland die Energieinfrastruktur des Landes im März beinahe bis zum Kollaps gebombt hatte.
Die Rettung aus Washington müssen europäische Regierungen deshalb als letzte, dringende Warnung verstehen. Die US-Hilfen werden der westlichen Staatengemeinschaft Zeit verschaffen. In den kommenden zwölf Monaten müssen sich die Länder Europas zu einer neuen Qualität und Quantität bei der Unterstützung der Ukraine durchringen. Die Ukraine braucht neue Artilleriesysteme, neue Flugabwehrsysteme, Marschflugkörper, mehr und besseres Training für Rekruten. Schaut man auf die Liste der aktuell zugesagten Lieferungen an die Ukraine, sieht es gefährlich leer aus. Die letzten größeren Zusagen für neue Technik liegen schon knapp ein Jahr zurück.
Gerade die Bundesregierung kann hier eine Führungsrolle übernehmen. Bislang hat Deutschland Waffen im Wert von fast 20 Milliarden Euro geliefert und liegt damit auf Platz zwei hinter den USA. Doch statt beleidigt auf Länder wie Frankreich zu schauen, die weniger tun, sollte Deutschland mit gutem Beispiel voranschreiten und die Ukraine noch stärker unterstützen. Dazu gehört natürlich auch, andere Länder mitzuziehen. Denn große europäische Staaten wie Spanien und Italien müssen dazu bewegt werden, ihr Rüstungspotenzial und bestehende Reserven an die Ukraine abzugeben. All das gilt auch dann, wenn die europäische Strategie tatsächlich darin bestehen sollte, die Ukraine lediglich zu einer erfolgreichen Abwehr zu ermächtigen und nicht zu einem klaren Sieg auf dem Schlachtfeld. Denn wenn Europa die Rüstungsproduktion und die Unterstützung der Ukraine nicht hochfährt, droht im kommenden Jahr kein neues Patt oder ein Stillstand an der Front. Es droht eine ähnlich gravierende Situation wie in diesem Frühjahr, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erstmals öffentlich vor einer drohenden Niederlage warnte.