Jo, Dänemark gefühlt keine Maßnahmen. Tagestour Rømø gemacht, keine Masken, keine Kontaktnachverfolgung. An den Geschäften und Restaurants stehen draussen lediglich dran wieviele Personen maximal Zutritt haben. Und Desinfektionsmittel am Eingang... das wars! War auch mal wieder schön...
Die haben meines Wissens nach aber auch ihre harten Lockdowns gefahren, als es angebracht war.
Die Virenverbreitung ist ja meist nicht linear und die damit einhergehenden Lockerungs- oder Einschränkungsmaßnahmen sind ja diesen Wellen nach angepasst.
Und dann von Land zu Land unterschiedlich.
Wenn die Wellen dann wesentlich flacher verlaufen, kann man ja auch lockern.
Aber lockern, weil man mal eben das Ende der Pandemie ausruft oder generell zweifelt, oder Wirtschaft vor Leben ausruft ist nun einmal nicht der Königsweg.
Und die gewissenlosesten Politiker verkaufen das dann als Freiheitsgeschenk für die Bevölkerung, dabei denken sie an ihre Bevölkerung als letztes.
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Beim Thema "Dänemark und COVID-19" bin ich ja der Forumsexperte und habe die Entwicklung in Dänemark in recht vielen Beiträgen mit zum Teil ausführlichen Statisiken hier im Forum in den letzten 1 1/2 Jahren dokumentiert. Kann hier alles nachgelesen werden.
Kurz zusammengefasst: Dänemark hat, anders als Schweden, mit sehr harten Massnahmen auf COVID-19 reagiert. Ähnlich wie Deutschland, mit langen lockdowns, Maskenpflicht im öffentlichen Raum, Abstandsregeln, Schulschliessungen und so weiter. Das volle Programm. Bei der home office Pflicht ist Dänemark, denke ich, weiter als Deutschland gegangen, insbesondere im öffentlichen Dienst. Bei meinem Arbeitsplatz, staatliches Forschungsinstitut, hatten wir home office Pflicht von März bis Juli 2020 und erneut von September 2020 bis August 2021 (also bis jetzt, nun ist die Pflicht aufgehoben), also, mit einer relativen kurzen Unterbrechung im Sommer 2020, home office für fast 1 1/2 Jahre! Und so ging es vielen im öffentlichen Dienst und da der öffentliche Dienst in Dänemark ziemlich gross ist, ist das schon eine sehr weitgehende Massnahmen gewesen.
Dänemark ist auch in der weltweiten Spitzengruppe was die Anzahl der Tests betrifft. Stand heute 39 Millionen PCR Tests und 38 Millionen Antigentests. Bei 5.8 Millionen Einwohner (also einem Drittel Nordrhein-Westfalens). Damit liegt Dänemark bei der Anzahl Tests per Einwohner um ein Vielfaches höher als Deutschland. Ich würde daher auch Berichte über die in Dänemark im Vergleich zu Deutschland höheren Inzidenzwerte mit Vorsicht betrachten. Bin mir sehr sicher, dass aufgrund der Vielzahl an Tests in Dänemark eine wesentlich höhere Anzahl an COVID-19 Infektionen erkannt wird, als in Deutschland und in anderen Ländern Europas. Vielleicht ist die Inzidenz von COVID-19 Infektionen in Dänemark in Wirklichkeit gar nicht höher als in Deutschland, sondern der Unterschied ist ein durch die unterschiedliche Anzahl von Tests hervorgerufenes Artefakt. Man weiss es nicht.
Was man weiss ist, dass Dänemark und Deutschland in der ersten Welle (März bis Juni 2020) fast identische COVID-19 Sterbefälle per 1 Million Einwohner hatten. Danach hat sich das sehr geändert, Deutschland hat seit der 2. Welle (Herbst 2020) sehr viel mehr Tote per Einwohner zu beklagen als Dänemark. Stand heute: Dänemark insgesamt 2.556 COVID-19 Tote, das sind 44 per 1 Million Einwohner, Deutschland 91.824 Tote das sind 111 per 1 Million. Deutschland hat also 2.5 mal mehr. Nimmt man nur die letzten 28 Tage dann sind es 16 Covid-19 Tote in Dänemark (2.8 per 1 Million) und 529 in Deutschland (6.4 per 1 Million)
Warum Dänemark seit der 2. Welle (Herbst 2020) soviel besser als Deutschland dasteht, weiss man nicht. Vielleicht liegt es an speziellen Massnahmen, vielleicht an demographischen Faktoren (Altersstruktur, Bevölkerungsdichte etc), vielleicht an der Mischung dieser Dinge, vielleicht an was anderem. Und, wer weiss, vielleicht sieht es in einer 4. Welle wieder anders aus. Diese Pandemie ist ja immer wieder für Überraschungen gut und Regionen, die mal sehr gut darstehen, stehen auf einmal schlecht dar und umgekehrt.
Bei der Impfung ist man in Dänemark ähnlich vorgegangen wie in Deutschland: Erst Hochrisikopatienten (Menschen in Pflegeheimen, Menschen mit schweren chronischen Vorerkrankungen) und Gesundheitspersonal, dann nach Altersgrupppen. Allerdings ist das alles in Dänemark sehr viel durchorganisierter abgelaufen, aber das ist vielleicht auch einfacher, wenn man nur 5.8. Millionen Einwohner hat als wenn man 83 Millionen Einwohner hat,. Man konnte im Internet immer sehen, wann die eigene Altersgruppe dran war. Als dann die Entscheidung getroffen wurde, aufgrund der Gefahr von seltenen aber gefährlichen Nebenwirkungen, AstraZeneca und Johnson & Johnson aus dem Programm rauszunehmen und nur noch Biontech/Pfizer und Moderna zu verimpfen, konnte man genau sehen, um wieviel Wochen sich dadurch der Termin der eigenen Impfgruppe verzögerte.
Man hat dann bis zur Altersgruppe der 30 jährigen runtergeimpft. Die 30 jährigen hat man dann aber erst mal übersprungen und mit den Jungen 18 bis 29 jährigen weitergemacht. Und dann erst die 30 jährigen. Die Logik war, glaube ich, dass man sich gesagt hat, dass Leute um die 30 zu jung sind, um ein nennenswertes Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf zu haben, aber auf der anderen Seite zu alt, um ein aufregendes durch viele Sozialkontakte charakterisiertes Leben zu haben (mit 30 ist man entweder auf der Arbeit, holt die Kleinkinder von der Kita ab oder sitzt erschöpft von dem Ganzen zu Hause herum, da wird man nicht so leicht zum Superspreader).
Jedenfalls sind die Risikogruppen in Dänemark in hohem Masse durchgeimpft (mehr als 90%, Gesundheitsperson zu 97,8% und selbst die 50-59 jährigen, also diejeningen, bei denen das Risiko so langsam ansteigt, sind zu 88,2% vollständig geimpt), auch der Rest der Bevölkerung ist in höherem Masse durchgeimpft als in den meisten anderen Ländern (wobei unklar ist, ob diese Entwicklung so weiter gehen wird, aber das Ziel ist eine Durchimpfung von 90% der Gesamtbevölkerung, mal sehen, ob das klappt). In den Nordischen Ländern, also Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island, ist traditionell das Vertrauen der Bevölkerung in Behörden und Verwaltung höher als irgendwo sonst auf der Welt. Das kann man, jeh nach eigener weltanschaulicher Ausrichtung, gut oder bedenklich finden. Für eine Pandemiebekämpfung ist dieses hohe Vertrauen und die mehr kollektivistische Ausrichtung der Gesellschaften im Norden auf jeden hilfreich, da sich die Bevölkerung in höherem Masse als anderswo an Massnahmen hält und sich auch in hohem Masse impfen lässt.
Vor diesem Hintergrund, sehr niedrige COVID-19 Todeszahlen, niedrige Krankenhausbettenbelegung, sehr hohe Durchimpfung der Risikogruppen, hohe Durchimpfung der Restbevölkerung ist es durchaus nachvollziehbar, finde ich, dass Dänemark mit dem Beginn der Fussball-EM die Massnahmen deutlich runtergefahren hat (z.B. wurde die Maskenpflicht Anfang Juni für fast alle Bereiche aufgehoben) und seit dem Schritt für Schritt alle Massnahmen zurückgefahren werden und am 1. Oktober alle Massnahmen aufgehoben werden sollen. Allerdings immer mit dem Vorbehalt, dass sich die Dinge weiter so gut entwickeln wie bisher. Das ist die grosse offene Frage für den Herbst und Winter, hält der Impfschutz für die Risikogruppen, bleiben die Krankenhäuser, Intensivstationen und die Leichenhallen leer? Falls ja, dann ist Dänemark tatsächlich wieder in der Vor-COVID-Zeit. Aber falls nein, falls es doch zu viel mehr Impfdurchbrüchen kommt, als man erwartet, dann geht die Scheisse weiter und dann sind auch in Dänemark die Massnahmen wieder da, denke ich.
Quellen:
COVID-19 Map - Johns Hopkins Coronavirus Resource Center (jhu.edu)
Covid-19 Dashboard (arcgis.com)
Covid-19 Vaccinedashboard (arcgis.com)