Phänomen Ultras

  • Das erklärt, warum es in England keine Ultrabewegung gibt, aber wie unsere Jungen auf den Trichter gekommen sind die Ultrabewegung aus Italien, Frankreich zu übernehmen, würde ich gerne wissen. Groundhopping und dann begeistert nachgemacht? Oder war da schon das Internet im Spiel? Gab es eine Abneigung gegenüber dem englischen Support, weil die Liga da durch die Versitzplatzung langweiliger geworden ist?


    ach so, sorry. ich dachte, du wolltest speziell was über england wissen. ich denke mal, hier im forum gibt es einige sehr kompetente ansprechpartner für deine frage wie z. b. sippel, aladin oder der herr dorn.

  • Das erklärt, warum es in England keine Ultrabewegung gibt, aber wie unsere Jungen auf den Trichter gekommen sind die Ultrabewegung aus Italien, Frankreich zu übernehmen, würde ich gerne wissen. Groundhopping und dann begeistert nachgemacht? Oder war da schon das Internet im Spiel? Gab es eine Abneigung gegenüber dem englischen Support, weil die Liga da durch die Versitzplatzung langweiliger geworden ist?


    ach so, sorry. ich dachte, du wolltest speziell was über england wissen. ich denke mal, hier im forum gibt es einige sehr kompetente ansprechpartner für deine frage wie z. b. sippel, aladin oder der herr dorn.


    Mit England kenne ich mich ein wenig aus. Hab immer neidisch rübergeschaut auf deren Support. Anfang der 90er bin ich mit nem Kumpel nach Rotterdam in den Kuip und hab mich in die Kurve von MUFC gestellt beim Pokalsiegerfinale gegen Barca, Eventie ich. Hätte aber auch jeder andere englische Verein sein können bei dem Gegner. Die Stimmung war unbeschreiblich. Red and white army clap clap clap clap!

  • Von den Ipswich Touren und diversen anderen Spielen in den letzen Jahren (Crystal Palace, West Ham United) kann ich sagen, dass deren Support meilenweit hinter unserem herhinkt. Nicht nur was die Ultraszene angeht, sondern auch oldschoolmäßig. Die Versitzplatzung hat ihre Spuren dort leider deutlich hinterlassen.
    Anfang der 90er war ich mal bei Heart of Midlothian in Schottland. Dort war die Stimmung im Stadion einfach bombastisch!
     8)

    Fortuna Düsseldorf war schon Pokalsieger als Dietmar Hopp noch mit Lochkarten arbeitete, Deutscher Meister bevor die Stadt Wolfsburg überhaupt gegründet wurde und stellte bereits einen Großteil der deutschen Nationalmannschaft bevor der Chemiekonzern Bayer überhaupt realisiert hatte, dass es in Leverkusen auch außerhalb des Werkgeländes menschliches Leben gibt.

  • mag sein, dass durch das Verschwinden der Stehplätze die Stimmung gelitten hat. Kreativer sind die englischen Fans aber noch heute allemal.
    Wie man sieht, wenn man sich so einige Chants auf anschaut/hört.

  • ich kann in sachen ultra in erster linie natürlich erstmal nur von mir sprechen. anfang bis mitte der neunziger war wie branko schon sagte unsere kurve tot. die paar kutten die im 36er biertrunken primitives zeug von sich gaben waren für mich sowas von kein anziehungspunkt.


    wir haben uns mit dem freundeskreis erst in näherer umgebung dann nach und nach auch weiter entfernt diverse spiele als hopper angeschaut - so haben es in der zeit viele gemacht - erste kontakte entstanden, nach und nach wollte immer mehr leute mit, man fuhr ins ausland und staunte bauklötze. ich habe sehr sehr schnell anschluss insb. in karlsruhe und frankfurt gefunden (es war wahrscheinlich damals zufall). diese gruppen waren auch zu der zeit schon um längen weiter als wir hier in düsseldorf. mit dem ksc habe ich die komplette europatour anfang bis mitte der 90er mitmachen dürfen - mit ffm auch das ein oder andere spiel - dinger wie in neapel, rom, bordeux, valencia oder porto haben mein feuer entflammt. kontakt nach straßburg, pisa oder bergamo waren perfekt - spiele bei denen 90minuten gesungen wurde, fahnen geschwenkt wurden und es dazu abwechselnd nach rauch oder kiff stank gab es bei uns nicht. politische strömungen gab es zu der zeit in rechter sowie in linker richtung größtenteils nur in italien. für mich war zu der zeit frankreich das non plus ultra als vorbild. 100% für den verein, 100% für die kurve und die gruppe, choreotechnisch ganz weit vorne - jeder war willkommen solange es um den club ging. das war mehr fan als das verständnis damals in deutschland und insbesondere hier in düsseldorf.


    dieses verständnis schwappte nach und nach über die grenze - erst in den süden der republik und nach und nach auch weiter in den norden und in tiefere ligen. so natürlich auch nach düsseldorf. 93-94 zündeten wir unorganisiert die ersten rauchtöpfe und malten das ein oder andere spruchband. 96 gab es mit der gründung der chaoten den ersten ultraorientieren fanclub. 99 wurde das ganze dann strukturell verbssert - die lost boyz wurden gegründet - 2000 dann die ultras düsseldorf. stilmäßig sowie mengenmäßig waren die anfänge niemals auf heutigem niveau - die entwicklung ging natürlich weiter. vorteile damals waren, dass man seinen leuten 100% vertrauen konnte - jeder der dabei war stand für den anderen ein - wie in einer guten firm - wir wussten damals, dass es allen um den verein ging. heute sind viele junge dabei die leider etwas anders ticken - da kommt erst der spass, der style, die gruppe ne aufgezwungene politische überzeugung und ne lebenseinstellung die zu verkaufen ist. es gibt unglaubliche viele wirklich motivierte und richtig gute neue junge leute dabei, die aber in der menge einfach untergehen, es wird leider mehr auf straßenschlachten und fahnenziehen geachtet als auf ne gute choreo. tifo der kurven ist überall besser als früher - liegt an den neuen medien und der doch besseren organisation.


    alle ultragruppen in deutschland sind für mich sowie für einen absoluten großteil der ersten generation in deutschland momentan am scheideweg - wenn es gelinkt die kernthemen wieder in den mittelpunkt zu rücken und aus dem fokus der polizei zu kommen, in den sich viele viele gruppen selbst gebracht haben, dann hat die entwicklung in deutschland ne richtig gute zukunft.

  • Danke Sippel für die Infos. Sehr interessant. Gibt es in deinen Augen einen typisch deutschen Aspekt in der Ultrabewegung hier, also einen, den es so nur bei uns gibt? Oder sind unsere Ultras mehr oder weniger ein Abziehbild der Ultraszenen im Süden Europas?

  • Danke Sippel für die Infos. Sehr interessant. Gibt es in deinen Augen einen typisch deutschen Aspekt in der Ultrabewegung hier, also einen, den es so nur bei uns gibt? Oder sind unsere Ultras mehr oder weniger ein Abziehbild der Ultraszenen im Süden Europas?

    Genau das wäre auch meine frage gewesen :D


    Wenn ich mir die Fans in Italien ansehe, sind das eigentlich die einzigen, die uns in Deutschland ähneln... In Spanien oder England ist ja keine Spur von dem Kult erkennbar...

  • größter allgemeingültiger unterschied dürfte sein, dass in deutschland die bewegung keine jahrzehnte lange tradition wie in südlichen ländern hat. in italien bist du ultra wenn du häufiger ins stadion gehst. jeder tifosi hat irgendwo berührungspunkte mit der szene - gegenbewegungen bzw. konflikte mit fans anderer strömungen gibt es nicht - in italien gibt es keine kutten oder reinen hools - in italien ist man ultra.


    hier in deutschland musste man sich in den anfangen in der szene beweisen und seinen standpunkt vom fandasein nach und nach den leuten begreiflich machen. viele traditioneller fans waren und sind dem ganzen gegenüber abgeneigt - erst nach und nach kann man sich das standinge erarbeiten, dass man beansprucht - mancherorts geht es gut andererorts eher schwer - liegt aber auch immer an der gruppe selbst bzw. dem verein und der jeweiligen fanszene.


    ein problem bei der akzeptanz in deutschland ist, dass die ultragruppen im gegensatz zum ausland viel jünger sind - wenn man sich gruppen z.b. in wien, marseille, neapel oder auch zagreb anschaut sieht man überall in der führungsebene 40jährige - der kern der grupe ist jenseits der 30 und hat in der fanszene das absolute sagen - was die jeweilige tonangebende ultragruppe ausgibt ist gesetz. hier in deutschland gibt es nur mancherorts wirklich leute dieses alters - sie wurden anfänglich in die gruppen integriert bzw. vielen gefallen dran und haben sie mit aufgebaut.


    in den allermeisten fällen sind unsere ultragruppen zwischen 16-25 jahre - ältere leute verlieren nach und nach das interesse, weil sie nicht als kindergärtner zum spiel fahren wollen - ist ne traurige aber reale entwicklung - ich persönlich hoffe, dass die deutschen ultragruppen es künftig schaffen gerade die älteren langjährigen mitglieder und gründer der einzelnen gruppen stärker zu binden und für die sache zu gewinnen. das ist auch einer der hauptpunkte auf die es ankommen wird die akzeptanz in der kurve und beim verein gänzlich zu gewinnen - ist das passiert kann sich nach und nach auch ne tradition wie in italien hier etablieren - dann denke ich ist das schubladendenken auch in den deutschen kurven vorbei. dann ist man nicht mehr hool, ultra, kutte oder normalo bzw. (eventie) sondern fan seines vereines und teil seiner kurve - ein traum aber ein schöner....

  • in italien bist du ultra wenn du häufiger ins stadion gehst


    ich erlaube mir mal zu präzisieren:
    in italien bist du ultrà, wenn du häufiger, bzw. immer in die fankurve gehst.


    zum zweiten beitrag gibts ansonsten meinerseits nix hinzuzufügen.
    gerade das beispiel der fehlenden einbindung der älteren generation ist
    ein gutes, stichwort keine lust den kindergärtner zu machen.
    denke das viele ultrà-gruppen eine höhere akzetanz hätten, wenn ältere
    noch das sagen haben. allein durch die erfahrung dieser, würden manche konflikte
    erst gar nicht entstehen.


    was mir persönlich sehr wichtig ist, ist das die kurven hier deutschland politikfrei
    bleiben, bzw. weiter (dort wo es getan wird) das braune pack keinen unterschlupf
    findet. so angesehen die kurven in italien sein mögen, aber gerade das beispiel der
    politischen unterwanderung einer kurve, sollte hierzulande ausbleiben.


    wenn ich an eine fankurve denke, dann sollte sie für mich als kurve
    existieren die in erster linie bedingungslos ihr team auf dem platz unterstützt.
    alles andere wie z.b. soziales engagement, findet genügend platz ausserhalb des stadions.


    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von mauri79 ()

  • mauri


    Mich würde interessieren, warum eine Kurve (Fanclub etc.) politikfrei bleiben soll. Ist das in erster Linie aus der Angst vor braunen Unterwanderern?


    Meiner Meinung nach kann es gar nicht genug Berührungspunkte zwischen dem Freizeitverhalten von Jugendlichen und politischem Engagement geben, da wir immer mehr dazu dressiert werden, so unpolitisch wie möglich zu sein. Unpolitisch funktionieren und vor allem konsumieren wir halt alle besser. Mitglied einer Ultragruppierung zu sein und gleichzeitig noch Schule, Arbeit, Studium etc. zu meistern ist zeitaufwendig, da ist es schwer sich gleichzeitig noch bei den JuSos (etc.) zu engagieren. Klar, eine bestimmte aufdoktrinierte politische Meinung als notwendiges Kriterium der Mitgliedschaft sollte nicht bestehen. Aber die Notwendigkeit, die Politik draussen zu lassen sehe ich nicht zwingend.


    Ganz im Gegenteil: wenn das Ziel ist, die Kurve nazifrei zu gestalten, dann hilft auf lange Sicht gesehen eigentlich nur eine solche Konfrontation, und nicht das Ausblenden von Politik.


    Oder gibt es noch andere Argumente für eine unpolitische Kurve?


  • was mir persönlich sehr wichtig ist, ist das die kurven hier deutschland politikfrei
    bleiben, bzw. weiter (dort wo es getan wird) das braune pack keinen unterschlupf
    findet. so angesehen die kurven in italien sein mögen, aber gerade das beispiel der
    politischen unterwanderung einer kurve, sollte hierzulande ausbleiben.

    das seh ich ganz genauso. aber in italien hat das ja auch historische gründe, dass der fußball so politisiert ist. abschreckenstes beispiel sind für mich irriducibili lazio, die ja auch noch in krimninell machenschaften verwickelt sind. in deutschland gabs aber jetzt auch nen ähnlcihen fall in dresden mit den hooligans elbflorenz.

  • Ganz im Gegenteil: wenn das Ziel ist, die Kurve nazifrei zu gestalten, dann hilft auf lange Sicht gesehen eigentlich nur eine solche Konfrontation, und nicht das Ausblenden von Politik.

    Das ist sicher ein sehr gutes Argument. Nur politische Menschen sind letzten Endes gegen totalitäre Tendenzen, die sich ja in der Regel schleichend entwickeln, geimpft.


    Ich sähe höchstens das Problem der Grenzziehung. Ich habe keine Lust auf eine Kurve, in der die Jusos den linken Block bilden, die JU den rechten, die Julis standesgemäß auf der Esprit rumsingen und die jungen Grünen statt zu singen lieber die Kröten vom Grün zupfen. Wir brauchen eine Kurve - und die einzelnen Ultragruppen sollen sich bitte nicht (partei-)politisch identifizieren.
    Ich denke aber nicht, dass die Furcht davor den Ruf nach einer unpolitischen Fankultur rechtfertigt. Das lässt sich sicher regeln.


  • Sehe ich ganz genau so!


    p.s. hast du "Die verblödete Republik" von Thomas Wieczorek gelesen? Da gehts genau um das unpolitische Konsumieren, was du gerade anprachst. Großartiges Buch! Sorry für OT :love:

    Dankbar rückwärts - mutig vorwärts! HFC Falke e.V.


    "Kein Zeitungsknabe wird uns jemals befehlen,
    was grad alt oder brandneu ist.
    Damit würd' er höchstens soviel erzielen,
    wie ein Hund, der gegen Bäume pisst."

  • Auch wenn ich mit meiner Meinung wohl ziemlich alleine dastehe, aber ich versteh diese heuchlerische Scheisse nicht, wie man auf der einen Seite die Vorkommnisse in Italienischen Stadien (die Ausschreitungen mit Waffengewalt z.B.) verurteilen kann und auf der anderen Seite die Ultra Kultur so hochjubeln kann.
    Wer macht denn die Randale in Italien?
    Ultras, oder?
    Und so nem Rotz wie er in Italien abläuft soll hier ne ganze Generation nacheifern?
    Wie hohl is das denn bitte?


    Und jetzt Feuer frei auf mich.

    Düsseldorf united!!!


    No one likes us - we don´t care!


    Mir ist Scheißegal wer dein Vater ist! - Wenn ich hier angel latschst du nicht übers Wasser!

  • sehr richtig, Vokoban. politische bildung: ja. ideologisierung: nein.


    mehr oder weniger so wollte ich es ausdrücken.


    @ochse:
    ich will keine ital. verhältnisse hier à la: darzeigung von politischen symbolen in form von fahnen oder bannern.
    kein rassismus à la politisch motiviertes ausbuhen von dunkelhäutigen spielern usw usw....
    die einzige politische tendenz die meiner meinung nach eine kurve zeigen sollte, ist der kampf gegen braunes pack.
    diese arbeit findet überwiegend hinter den kulissen statt (soziales engagement), bzw. sollte stattfinden.
    und da spielt es keine roller ob der vermittler politisch links- oder mittegerichtet ist.
    die angesprochenen sollen sich eh ihr eigenes politisches bild machen, bzw. herausfinden in welcher
    politischen partei sie sich dann am besten wiederfinden (hauptsache keine rechte).

  • @ marco666:


    wer sich nur ein klitzekleines bisschen damit auseinandersetzt,
    wird nicht gleich die komplette ital. ultràbewegung als verkörperung
    des ultràgedankens ansich, als beispiel nehmen.
    die bewegung in italien hat sich leider mit den jahrzehnten zu sehr
    politisch radikalisiert, als das sie noch voll als verkörperung der ursprungsidee/
    des ursprunggedankens herhalten kann. leider.


  • die bewegung in italien hat sich leider mit den jahrzehnten zu sehr
    politisch radikalisiert, als das sie noch voll als verkörperung der ursprungsidee/
    des ursprunggedankens herhalten kann. leider.


    Kann ich leider bestätigen. Ich war in Rom und hatte Zeit, also bin ich zu Lazio getingelt. Happige Eintrittspreise, so hat es nur zur Curva Nord gereicht.
    Selbstverständlich habe ich kein Wort verstanden, aber als die komplette Kurve den rechten Arm mehrfach hob und dazu sang war das sehr befremdlich.
    Ich fiel dann einigen auf, mit denen ich auf englisch/deutsch ein wenig kommunizeren konnte. Somit war für die auch OK das ich nicht mitmachte. Die fanden das ganz gut das sich ein deutscher in die Kurve verirrte. Irgendwie hatte ich das Glück deutscher (damals Spielten 3 dort) zu sein und die richtige Hautfarbe zu haben.
    Wenn ich mir vorstelle was hätte passieren können... 8| War sehr naiv von mir damals.


    Das war im Jahre 1992, Lazio - Atalanta Bergamo.