Gesundheit & Corona

  • Die anfänglichen Erfahrungen, die ich mit meiner verblödeten Verwandtschaft dazu machen musste, entsprachen auch dem üblichen "stell' dich nicht so an, in deinem Alter"-Blabla. Es war fürchterlich. Bis ich mich von dem Haufen schlicht befreit habe. Es besteht kein Kontakt mehr zu denen, und ich vermisse NICHTS. Im Gegenteil, es war eine Befreiung sondergleichen. Das mit dem "sich nicht anstellen" hat dann auch nicht so gut geklappt, wie meine Mischpoke es gerne gesehen hätte.


    Aber auch das ist Deutschland: Wenn man depressiv erkrankt ist, muß man schon ein fußballspielender Jungmillionär und Promi sein, damit die Sache "Anerkennung" findet. Wobei man über die Ernsthaftigkeit dieser Anerkennung ruhig zweifeln darf, denn wenn ein Fußballstadion zur Karikatur einer Trauerfeier und zum Podium für das kollektive Heulen wird, ist das ein Event. Mehr leider nicht.


    Als Normalo erlebt man überwiegend Spott und knallharte Diskriminierung, und auch seit Enkes Tod hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Die Krankheit "Depression" wird plötzlich zum Lifestyle-Wehwehchen umgelabelt und als "Burnout" bezeichnet. Nur dann - wenn man sich in diesem System die Psyche kaputtgeschuftet hat und nicht dreisterweise "einfach so" erkrankt - "darf" man auch krank werden. Und das bitteschön auch nur dann, wenn ein paar Wochen Auszeit und Urlaub alles wieder richten und man ganz schnell wieder servil im Hamsterrad rotiert.


    Wenn es chronisch wird, fällt man hingegen schnell in Ungnade. Sei es im Freundeskreis oder im Gespräch mit Ahnungslosen. Wer heutzutage immer noch glaubt, Depressionen seien mit etwas Sonnenlicht, Ballermann und einer "positiven Einstellung" und vielleicht noch den dazugehörigen Schundschinken irgendwelcher selbsternannten Lebensführungs-Coaches zu heilen, dem gönnt man von Herzen die Krankheit am eigenen Leib. Dann kann man sich von Trotteln wie Robert Betz und Byron Katie und deren Fans die salbungsvollen Binsen anhören und hautnah erfahren, wo beim 0815-Simpel eine Krankheit eingeordnet wird, die genau so oft tödlich endet wie eine Krebserkrankung.


    Meine Erfahrung ist: Schleunigst eine Therapie beginnen, und zwar eine Gesprächstherapie mit eventueller medikamentöser Begleitung. Und ebenfalls extrem wichtig: Raus aus dem krankmachenden Umfeld. Das schließt ausdrücklich den Arbeitsplatz mit ein, aber auch eine radikale Veränderung des Umfeldes, falls diese einem mit Unverständnis begegnet und sich auch nicht informieren lassen will.


    Natürlich ist dann die Erwerbsbiographie, also quasi der Heilige Gral eines eventuellen Bewerbungsschreibens, im Eimer, aber eine ungebrochene Erwerbsbiographie nützt einem nicht viel, wenn man sich suizidiert. Das gehört auch ganz dringend zur Behandlung von Depressionen: Man muß sich von gesellschaftlichen Wertvorstellungen strikt und radikal trennen. Die Selbstdefinition und damit die eigene Wertschätzung darf nicht mehr über Leistung, Arbeitsplatz und Besitzstand erfolgen. Das sind künstliche und inhaltslose Unwerte, die in dieser zutiefst kranken Gesellschaft Depressionen erst schaffen. Man kann sich in diesem Zuge sogar ernsthaft fragen, ob es nicht gesund ist, auf die Umstände mit Krankheit zu reagieren.

  • - nämlich an die Frage, warum immer mehr Leute an Erschöpfung erkranken, ob das denn etwas zu tun haben KÖNNTE mit der neoliberalen Leistungsgesellschaft ohne weitere Werte, der wir uns alle opfern sollen. Und ob es das wert ist.


    Dies kann man gar nicht oft genug betonen!!!! Du hast so recht!!!!

    Wintermeister - Spitzenreiter - 34 Punkte nach 18 Spielen - Derby gegen die Esel gewonnen, Westderby gegen Bochum nicht verloren
    18 Spiele, 10 Siege, 4 Remis, 4 Niederlagen, 27:20 Tore, 34 Punkte

    Mit "Kulturträger" Fink verlängert

  • Wer Menschen mit einer depressiven erkrankung mit Verachtung, Hohn und Spott begegnet hat sich in der Gesellschaft absolut keinen Respekt verdient. Das selbe gilt auch für Missachtung und abwertenden Aussagen gegenüber depressiven Menschen.


    Statt wegzuschauen muss man helfen und auch für jemanden da sein wenn die Hilfe benötigt wird. Dazu gehören Einfühlungsvermögen und viel Verständnis. Wer das nicht kapiert ist einfach nur dumm und dumm ist auch der Politiker der ein Berufsverbot für Menschen mit einer depressiven Erkrankung fordert!

    Klassenerhalt 22/23!! - Noch -3 Punkte bis zum Klassenerhalt - Zustimmungen zu meinen Beiträgen auf eigene Gefahr! - Zur Beruhigung: https://www.neko-chan.moe

  • Gleiches gilt übrigens für gemobbte Kinder in Schulen. Es sind immer die Gemobbten schuld, weil sie meistens anders sind. Und anders wird ihnen immer als schlecht ausgelegt. Da kann ich auch einiges zu schreiben, wenn es jemanden interessiert. Das Gesellschaftsproblem in Deutschland ist, dass man lieber den Einzelnen zum Bösen bzw. Täter macht, anstelle mal die Schuld der anderen (der Gesellschaft) oder im oben genannten Fall, die Klasse zu untersuchen.

  • dumm ist auch der Politiker der ein Berufsverbot für Menschen mit einer depressiven Erkrankung fordert!


    Leider auch Lauterbach von der SPD. Bisher habe ich den für ganz OK gehalten.

    Wintermeister - Spitzenreiter - 34 Punkte nach 18 Spielen - Derby gegen die Esel gewonnen, Westderby gegen Bochum nicht verloren
    18 Spiele, 10 Siege, 4 Remis, 4 Niederlagen, 27:20 Tore, 34 Punkte

    Mit "Kulturträger" Fink verlängert

  • Yavin, ich habe wirklich großen Respekt für deine ausführlichen Posts.


    Man merkt einfach, dass sich hier ein Betroffener zu Wort meldet und das hilft mir zum Beispiel wirklich sehr :thumbup:

    Alles aus Liebe - Fortuna Düsseldorf

  • Politiker fordern Berufsverbot für Depressive Also quasi den Stempel für Depressionen.

    Ich denke, ein Maulkorb für CSU-Politiker wäre sinnvoller.

    "Ich werde nie von einem Verein oder einem Präsidenten abhängen - ich glaub', in Österreich haben Präsidenten von österreichischen Fußballclubs mehr Sponsoren verjagt als jeder andere. Nicht einen Euro, wenn wir nicht die Kontrolle, die Verantwortung und die Geradlinigkeit innehaben." (Dietrich Mateschitz, angeblich nur ein normaler Sponsor...)

  • [quote]Yavin, ich habe wirklich großen Respekt für deine ausführlichen Posts. Man merkt einfach, dass sich hier ein Betroffener zu Wort meldet und das hilft mir zum Beispiel wirklich sehr :thumbup:[/quote] Das ist meine Intention. Jedem, dem ich damit helfen kann, ist ein guter Anfang. Ich stehe gerne jedem hier mit Rat und Tat zur Seite.
  • Yavin du hast ja so recht ...aber da wir in einer leistungsgesellschaft leben. wird sich sich auf absehbarer zeit nix ändern. wenn du krank bist und nicht im krankenhaus liegst oder zumindest einen weissen verband trägst bist du nicht krank ...eher simulant ....hauptsache man funktioniert

    Der Unterschied zwischen Leben und Existieren liegt im Gebrauch der Freizeit - youtube.com/qNM6IuA87eM

  • Das Problem ist, dass Depressionen individualisiert werden, das heißt, derjenige, der depressiv erkrankt ist, wird als entsprechend disponiert und damit als schicksalhaft betroffen betrachtet. Auslöser (Ursachen) wie krank machende im System begründete Bedingungen im Beruf, Diskriminierung im Alltag, weil man "anders" ist, werden aber nicht angegangen. Therapeutisch wird oft versucht, den Kranken wieder fit zu machen für das System. Kann individuell sinnvoll sein, ändert aber gesellschaftlich gar nichts!


    Danke Yavin !

  • Therapeuten, die hauptsächlich daran interessiert sind, Deine Arbeitskraft wieder herzustellen, kannste in der Pfeife rauchen.


    Was der Psychiater und der Psychologe heutzutage als "geheilt" ansieht, läßt sich kurz zusammenfassen: Die Wiederherstellung der Arbeitskraft, die Wiederherstellung der ökonomischen Verwertbarkeit. Deshalb regaieren die werten Damen und Herren auch so pickelig auf eine Infragestellung des Systemfundamentes. Wer das Streben nach ewigem Wachstum und die Unterordnung des Individuums unter diese religiöse Ordnung bezweifelt oder gar offensiv bestreitet, der ist in der Tat untherapierbar. Untherapierbar nach den Zielsetzungen der Psychologie und Psychiatrie anno 2015.


    Um das Thema Mobbing anzusprechem:
    Da siehst Du, wozu die "tollen" Tips der Therapeuten geführt haben, von wegen "aus der Opferrolle zu treten". Mobbingopfer SIND Opfer, Mobbing ist ein völlig desolater Mißstand in den Betrieben, der sich aus der nicht minder desolaten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ergibt und aus den asozialen charakterlichen Rasterungen der Mobbenden. Das ist nicht Dein Fehler, auch nicht, wenn viele Therapeuten Dir das suggerieren wollen. Was für Stümper. Widerlich!


    AAAAARRRGH! Solche Quacksalber-Feld-und-Wiesen-Therapeuten kochen mir echt den Gallensaft hoch. Hypnose gegen Burnout/Depressionen. Antidepressiva obendrauf, umrühren, fertig is'. Sollte dies auf Therapeuten in Eurem Umfeld zutreffen: Haut da bloß ab!!! Diese Quacksalber sollten Migräne bei Hunden behandeln und nicht an Euch herumstümpern.

  • Das Problem ist, dass Depressionen individualisiert werden, das heißt, derjenige, der depressiv erkrankt ist, wird als entsprechend disponiert und damit als schicksalhaft betroffen betrachtet. Auslöser (Ursachen) wie krank machende im System begründete Bedingungen im Beruf, Diskriminierung im Alltag, weil man "anders" ist, werden aber nicht angegangen. Therapeutisch wird oft versucht, den Kranken wieder fit zu machen für das System. Kann individuell sinnvoll sein, ändert aber gesellschaftlich gar nichts!


    Danke Yavin !




    Es gibt aber Gott sei Dank auch noch die anderen Therapeuten! Die, die für dich da sind. Man muss diese halt sehr genau aussuchen, in ner depressiven Phase ist das leider oft nicht möglich.

  • Die Gründe für Depressionen sind wissenschaftlich umstritten und es gibt viele Theorien dazu. Fakt ist das es nie monokausal abläuft. Des weiteren würde ich das "Burn out Syndrom" klar von Depressionen abgrenzen. So oder so ist Fakt das unsere neoliberale Gesellschaft die Menschen psychisch krank macht. In 15 jahren Arbeit mit psychisch kranken Menschen hab ich das erfahren dürfen. Psychosen, Depressionen, traumatische Belastungsstörungen, Suchterkrankungen; Burn out... Das ist der Preis den wir für eine "Geiz ist geil" Einstellung bezahlen.

    Groß, klein, alt, jung, reich, arm, dick

    dünn, krank, gesund, er, sie, blau, rot, gelb,

    schwarz oder weiß - alles Menschen.

  • Ich möchte noch hinzufügen: Mein ehrlich empfundenes Mitgefühl gilt, wie tausenden Betroffenen, natürlich auch dem Co-Piloten und Herrn Enke, die den ganzen Scheiß durchgemacht haben müssen und keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben sowie deren Angehörigen, die ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurden. Als Nahestehender ist das Ganze ebenso die Hölle, wenn man an den geliebten Menschen nicht mehr herankommt und seine Persönlichkeit langsam zerfällt und immer mehr zur Krankheit wird.
    Aber ich erspare es ihnen aus diesem gesunden Mitgefühl heraus, mich flennend irgendwo mit einer Kerze in der Hand und Stock im Arsch filmen zu lassen und den Medienegon zu geben.


    Folgender Merksatz wäre schon hilfreich: Depressionen haben eine höhere Mortalitätsrate als manche Krebsart.


    Anbei wünsche ich dem ignoranten Teil der Gesellschaft, allen voran den meisten Politidioten wie Herrmann und co , die es für nötig halten, ihre Ressentiments in ihren leeren Frisurständern gegen die Betroffenen zu richten, eine saftige, klinische Depression, mit allen schillernden Symptomen, die dazugehören können, für unbestimmte Zeit, mit ebenso unbestimmten Ausgang. Nach kurzer Zeit würde selbst das dümmste Schwein seine dämliche Fresse halten.