Gesundheit & Corona

  • Besser kann man es nicht ausdrücken als es Yavin beschreibt. Ergänzend zum Kontrollverlust würde ich noch als Wesenszug einer Sucht die langsame Dosissteigerung zur Herbeiführung einer Wohlfühlstimmung hinzufügen, die nach längerem Abusus für den Süchtigen mit kleinen Dosen nicht mehr herstellbar ist. Am Ende kann er auch mit großen Mengen seine innere Leere nicht mehr auffüllen und der Wohlfühleffekt bleibt ganz aus. Am Ende steht der Filmriss und das Koma. Am Ende ist es Selbstmord.

    Ich mag Amateure. Denn sie tun es aus Liebe.

  • Wie gesagt, es sind meine Erfahrungen. So wie bei den Depressionen, die mich selbst betrafen und betreffen ist der Alkoholismus in meinem familiären Umfeld ein wirkliches Problem gewesen. Ich selbst bin absoluter Abstinenzler, weil ich alkoholabhängige liebe Menschen erlebt habe, da kannst Du "verzweifeln".


    Ich finde es völlig ok, wenn ein Nichtalkoholiker mal einen hebt, um seinen Frust runterzuspülen oder sich in einer schweren Situation Erleichterung zu verschaffen. Bedenklich wird es erst dann, wenn es zur Gewohnheit wird und letztlich zur Abhängigkeit führt, sodaß der/die Betreffende nicht mehr ohne zurechtkommt, und der Alkohol selbst das Problem geworden ist. Diese Grenzen sind fließend und vom Betroffenen selbst nur schwer einzuschätzen.

    Und um gleich mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen: Nicht jeder, der viel Alkohol trinkt, ist automatisch Alkoholiker! Erkenungszeichen, ob Alkoholismus vorliegt oder nicht, ist der "Kontrollverlust". Soll einfach gesagt heißen: Solange der Betreffende damit klarkommt, ist er vielleicht gefährdet, aber eben noch nicht abhängig. Eine totale Abhängigkleit besteht z.B. dann, wenn man praktisch zu nichts mehr fähig ist, ohne vorher einen Schluck aus der Pulle zu nehmen, das geht schon beim Aufwachen los, und wenn man bei Ausbleiben des Stoffes starke Entzugserscheinungen hat. 3 mal die Woche breit und Morgenkater sind noch kein Alkoholismus. Auch der berühmte "Parkbankpenner" ist nicht zwangsläufig Alkoholiker, auch nicht mit einer Flasche im Mantel. Es gibt auch Abarten und Mischformen wie z.B. den "Quartalsäufer", der es lange ohne aushält, aber dann packt es ihn plötzlich und er prügelt sich das Zeug rein, bis fast alles zu spät ist. Es gibt auch den "Spiegeltrinker", der hat über einen Zeitraum von mehreren Jahren dauerhaft immer so um die 2 Promille. Das bedeutet, der sieht die Welt nur durch den Boden eines Glases oder einer Flasche ... da Tetrapacks und Büchsen undurchsichtig sind, hat dieser wohl auch eine Weile gar nichts gesehen ... möglicherweise daher die großen Gedächtnislücken ...

    Umgekehrt sind viele Menschen Alkoholiker, denen man es zunächst nicht anmerkt, da Alkoholiker zwangsläufig auch Meister im Versteckspiel sind. Alkoholismus ist in allen Schichten zu Hause, auch und gerade bei "gebildeten" Leuten wie Ärzten und Juristen, aber auch Personen des öffentlichen Lebens. Da diese Leute meist auch über finanzielle Mittel verfügen, gelingt es ihnen oft über lange Zeit, ihre Krankheit geheim zu halten. So schickt man Bedienstete zum Einkaufen, lässt ins Haus liefern, kommt an gute Ärzte und Medikamente und entzieht im 5-Sterne-Sanatorium als Privatpatient. Unsereins latscht frühs um sechs in Jogginghose in den Edeka und zittert sich noch an der Kasse einen Underberg rein, schmeckt scheiße, hat aber 48 % Vol. Zur Not säuft man auch mal Rasierwasser, wenn sonst nichts im Haus ist, was soll man machen, wenn jede Faser danach schreit, erstmal muß ja das verdammte Zittern aufhören und die Panik aus dem Kopf, nicht wahr. Und landet dann irgendwann in der Gosse, auf dem Friedhof oder in der Geschlossenen und kämpft im Delirium um sein Leben.


    Eine Zeitlang ist das Telefon das Wichtigste. Man hat Leute, die man Tag und Nacht anrufen kann, jederzeit, man kann quatschen, soviel und solange man will - solange man nicht besoffen ist ! Hat man gesoffen und man merkte es, wurde sofort aufgelegt. Und ich denke, das ist auch richtig so.

    Natürlich hat man seine weinerlichen Phasen, wo man nach Mitleid heischt, aber da wird Kampflinie gefahren. Es heisst klipp und klar: "Wenn du ein Problem hast, Hilfe brauchst - ruf an! Wenn du nur Mitleid suchst, lass es!"


    Ich kann einem Alkoholiker, der weitersaufen will, nicht helfen! Ich kann ihm zuhören, ja, solange, bis er mich auf sein nasses Niveau runterzieht. Am Ende sitzen wir beide da mit der Buddel in der Hand ...

    Meine klare Ansage heute ist: "Wenn du ernsthaft aufhören willst und Hilfe suchst, bin ich da. Wenn du weitersaufen willst, tu es, und lass mich in Ruhe. Ich bin nicht für dein Leben verantwortlich." Ich habe gelernt, aufzulegen, wenn es bei mir an die Substanz geht. Bisher ist da niemand gestorben dran. Am Saufen schon.

    Jeder Mensch - krank oder nicht - hat m.E. im Rahmen seiner Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen. Wenn ich merke, daß jemand sich vor seiner Verantwortung drückt und auf mich abwälzen will, sind die Schotten erstmal dicht. Aber richtig.

    Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Aber ich wüsste, was ich täte.

    Ich denke, folgender entliehener Spruch bringt meine Haltung auf den Punkt: "Es ist keine Schande, krank zu sein. Aber es ist eine Schande, nichts dagegen zu tun!"

  • @ Yavin:


    Wo Du Recht hast, hast Du Recht.


    Ich finde es in diesem Zusammenhang wichtig und das kann ich nicht oft genug betonen, dass es sich bei Menschen mit ernsthaften Alkoholproblemen nicht nur um den zitternden, verwahrlosten Hardcore Säufer handelt, den die meisten im Kopf sehen, wenn über diese Krankheit gesprochen wird.

    Die wird niemand mehr erreichen mit klugen Statements.


    Es geht bei Alkoholismus meistens um Menschen wie Du und ich.


    Es geht um die Masse von dieser Krankheit betroffenen, die sich Jahre und Jahrzehnte mit ihrem Alkoholismus arrangieren, die heimlichen, es ist gesellschaftsfähig, teilweise heroisch (boah, kann der was vertragen) und gehört zum Männerbild, gehört zum Genussbild, gehört zur Geselligkeit usw...

    Manche reißen die gesellschaftliche Latte und stürzen ab, aber bei weitem nicht alle. Wer sich näher damit beschäftigt (oder trauriger Weise näher beschäftigen muss), wird die Gesellschaft um sich herum beobachten und ganz anders wahrnehmen.


    Gesellschaftlich nenne ich das Ganze "Dallas" Phänomen, nur für mich.

    Da haben nahezu alle - bis auf die Pferde und Rinder - ständig und zu jeder Uhrzeit Whisky gesoffen - und einzig Sue Ellen war die bedauernswerte alkoholsüchtige, unglückliche Ehefrau. Eigentlich war sie aber der einzige Alki unter den anderen, der aus der Reihe tanzte.


    Genau so verhält sich unsere Gesellschaft auch. Alkoholkonsum wird toleriert, so lange er sich im Mainstream bewegt. Aber wehe, man fällt aus der Reihe.

    Die Sucht liegt aber in genau diesem Mainstream schon drin.


    Ganz dünnes Eis.

  • Aber wehe, man fällt aus der Reihe.

    Aus der Reihe fällt man auch, wenn man jedes mal den Alkohol ablehnt, der einem angeboten wird. " Wie, du trinkst nichts ? " " Nein ." " Wie ,nie ? " Ich habe die ungläubigen Gesichter oft genug gesehen.

    P.S. An meine geschätzten Freunde aus der Box : Es handelt sich nicht um mich .

  • Aber wehe, man fällt aus der Reihe.

    Aus der Reihe fällt man auch, wenn man jedes mal den Alkohol ablehnt, der einem angeboten wird. " Wie, du trinkst nichts ? " " Nein ." " Wie ,nie ? " Ich habe die ungläubigen Gesichter oft genug gesehen.

    P.S. An meine geschätzten Freunde aus der Box : Es handelt sich nicht um mich .

    Einfach zu sagen" ich trinke keinen Alkohol mehr, weil ich ihn nicht mag" oder auch einfach "ich vertrage keinen Alkohol" ist heute durchaus gesellschaftsfähig. Ein Problem ist halt die Versuchung es doch probieren zu wollen, um zu gefallen. Allerdings ist die Versuchung sehr schnell weg, wenn man gelernt hat sich ohne Alkohol in Gesellschaften zu bewegen. Wie gesagt: Die Akzeptanz alkoholfreie Getränke zu sich zu nehmen ist mittlerweile gut ausgeprägt selbst in Kneipen. Überall gibt es alkoholfreie Biere oder andere Getränke für die, die keinen Alkohol trinken wollen. Ein vom Fass gezapftes kaltes alkoholfreies Weizenbier ist bei der heutigen Witterung ein wahrer Genuss. Aber ein richtiges kaltes Alt auch.

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  • Ok, in den Kneipen ist das so aber geh mal auf ne private Einladung oder bei Auswärtsfahrten. Da wirst du schnell merken , das dem nicht so ist.

    dann kann man dich ja einladen … biste ja nicht:D so kostspielig...kraneberger deluxe

    Der Unterschied zwischen Leben und Existieren liegt im Gebrauch der Freizeit - youtube.com/qNM6IuA87eM

  • Yavin : Ein guter Artikel für die Bild; sehr polemisch und oberflächlich. Du schreibst nichts über die Ursachen von Sucht (Stichtwort wesentliche Behinderung) und darüber welche Möglichkeiten Suchtkranke Menschen haben ein halbwegs normales Leben zu führen ohne direkt zur Abstinenz gezwungen zu sein. In einer modernen Suchtkrankenhilfe sollte dies aber der Fall sein. In meinen Berufsanfängen habe ich ähnlich monokausal gedacht wie du; 20 Jahre Suchtkrankenhilfe haben mir aber gezeigt wie wichtigt ein individuelles Betrachten jedes Falls ist.

    Groß, klein, alt, jung, reich, arm, dick

    dünn, krank, gesund, er, sie, blau, rot, gelb,

    schwarz oder weiß - alles Menschen.

  • Ich gebe meine Erfahrungen mit Verwandten wider. Meine Ansichten und Erkenntnisse. Dass das nicht in Stein gemeißelt ist, hab ich nie erwähnt...


    Und wie bei Depressionen hab ich das weder studiert noch ausgeführt. Aber ich konnte vielen helfen. Ich hab es geschafft, einen 30 Jahre alkohol abhängigen Großvater trocken zu bekommen, ohne je dieses Thema studiert zu haben. Nicht jeder Fall steht in Büchern.


    Aber Respekt vor Deiner Arbeit. Wirklich...

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Yavin ()

  • Ok, in den Kneipen ist das so aber geh mal auf ne private Einladung oder bei Auswärtsfahrten. Da wirst du schnell merken , das dem nicht so ist.

    Naja, bin auch auf einigen Fahrten gewesen. Wenn ich nicht saufen will, tue ich es auch nicht. Da kann sonstwer sagen "Boah, du Langweiler." Es geht denen einen Scheissdreck an, was Du,ich usw...trinke oder nicht! Vorm Spiel trinke ich höchstens 2-3 Fläschchen Alt. Ich will im Stadion noch was vom Spiel mitbekommen. Wenn ich da so manche Alkoholleichen sehe, dann frage ich mich, was die beim Fussballspiel wollen.

  • ok ...vor dem Spiel trinke ich nix, aber während des Spiels 2 Bier. Eins 1. HZ, ein 2. HZ.... Wenn ich vorher schon tanke und dann im Stadion noch, krieg ich nix mit (und das fände ich total doof ....)

    ich weiche nicht zurück .... ich nehme nur Anlauf

  • Vor dem Spiel 4

    Während 5

    Danach 6 Bier

    Verlieren wir kommt Schnapps dazu:beer:

    "Die Stehplätze gehören abgeschafft, die Zäune erhöht, und bei jeder Ausschreitung sollten für den Verein 100 000 Euro fällig werden."
    "Bitte, Pfefferspray ist immer noch milder als der Schlagstock! Es tut kurz weh, die Augen tränen, das wars. "
    Im Namen der Toleranz sollten wir das Recht beanspruchen, die Intoleranz nicht zu tolerieren!
    Wahnsinnige explodieren nicht wenn sie vom Sonnenlicht getroffen werden, ganz egal wie wahnsinnig sie sind.

  • Es gibt sehr viele und unterschiedlich geartete Formen des Alkoholismuses und deshalb auch vielmehr Menschen, die in einem gewissen Maß vom Alkohol abhängig sind, als man denkt und bemerkt.


    In meiner Familie ist Alkoholismus weit verbreitet gewesen und ich selber war auch davon betroffen bzw. bin es heute noch in gewisser Weise, obwohl ich heute damit umzugehen verstehe.


    Obwohl es jetzt 25 Jahre her ist, dass ich extreme Probleme mit Alkohl hatte und heute eigentlich gar keinen Alkohol mehr trinke, merke ich bereits nach einem Cocktail, den ich mir alle Jahre mal wieder erlaube, dass ich dem nicht gewachsen bin.


    Ein Cocktail reicht bei mir aus, um dafür zu sorgen, dass ich am nächsten Tag bereits darüber nachdenke, mir abends wieder einen zu genehmigen und kaum an etwas anderes mehr denken kann. Wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe, denke ich, dass ich den Alkohl aus den Flaschen riechen kann. Dann weiß ich, dass ich für die nächste Zeit wohl lieber keinen Alkohol mehr probieren werde.


    Bei mir hat alles übrigens mit Cognacbohnen angefangen und dann mit der Bar meiner Eltern. Mit 23 haben ich dann die Flachmänner auf die Heizung gelegt, damit sie schneller wirken und war von morgens bis abends breit.

    Nach manchem Gespräch mit einem Menschen hat man das
    Verlangen, einen Hund zu streicheln, einem Affen zuzunicken und vor einem
    Elefanten den Hut zu ziehen. Maxim Gorki

  • Ok, in den Kneipen ist das so aber geh mal auf ne private Einladung oder bei Auswärtsfahrten. Da wirst du schnell merken , das dem nicht so ist.

    Dann solltest Du mal schauen, wer von denen in die Kategorie "brauch ich nicht unbedingt" einzuordnen ist. Solche Menschen braucht man nun wirklich nicht, die einem den Alkohol vorschreiben wollen.

    Ich mag Amateure. Denn sie tun es aus Liebe.

  • Ich bin ja dem allabendlichen Altbier wahrlich nicht abgeneigt, aber wenn ich das hier so lese, scheinen ja wirklich einige echte Probleme mit Alkohol zu haben oder gehabt zu haben. Oder Bekannte/Verwandte zu haben, auf die das zutrifft.


    Ist mir jetzt zwar fremd, aber mal Hand aufs Herz: der Grund dafür ist doch nicht, dass das Stadion in Gelsenkirchen Veltins-Arena heißt, oder...? Oder weil es sonst so tolle Werbung gibt, die einem zum Konsum von Alkohol verleitet hat...?


    Ernstgemeinte Frage, ich kann's ja nicht beurteilen. Schumacher macht ja keine Werbung, jedenfalls kenne ich keine. Trotzdem trinke ich es.


    Und soweit ich weiß, wurde gerade während der Prohibition soviel gesoffen wie nie zuvor.


    Ob und inwieweit Werbung da eine Rolle spielt, würde mich wirklich interessieren. Ich vermute nämlich, so gut wie keine.

  • Dann solltest Du mal schauen, wer von denen in die Kategorie "brauch ich nicht unbedingt" einzuordnen ist. Solche Menschen braucht man nun wirklich nicht, die einem den Alkohol vorschreiben wollen.

    Vorab : Es geht hier nicht um mich, sondern um eine mir nahe stehende Person, die diese Erfahrungen gemacht hat und wo ich oft genug dabei war.

    Diese Person kann prima damit umgehen.

    Und wie bereits geschrieben ist das von allen Personen nicht böse gemeint, die denken nur einfach nicht nach. Und das nervt halt manchmal.

    Die Personen, die das nicht akzeptieren, kommen natürlich in die Kategorie " Brauch ich nicht " --;;) Die brauchste aber eigentlich auch nie.

  • Niemand glaubt, dass Werbung allein Süchtige macht, aber wenn man in Werbung eine Gefahr sieht, Sucht erzeugende Genussmittel oder Dienstleistungen zu verharmlosen, dann gilt das wohl an erster Linie für Alkohol.

    Nach manchem Gespräch mit einem Menschen hat man das
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