Man könnte diesen Beitrag vielleicht auch in den smoonschen Verhaltensthread stecken, aber mir ist das Thema so wichtig, dass es einen eigenen Thread verdient haben sollte. Es geht generell um den Generationenkonflikt zwischen den "alten" (Oberliga-Regionalliga-Fortunen) und den "neuen" (Zweitligaspitzenreiter-Fortunen). Die Einen suhlen sich hier gerne darin, dass sie früher überall dabei waren und betonen, was für tolle Erlebnisse das waren und warum sie durch ihre Teilnahme womöglich die besseren Fortunen sind. Die andere Seite hat ein Anspruchsdenken nahe dem Europapokal und holt die Kritikkeule raus, sobald auch nur etwas im Team / im Verein schief zu laufen scheint und bringt damit die erste Gruppe auf die Palme.
Ich möchte hier ein für alle Mal der zweiten Gruppe klar machen, was Fortuna Düsseldorf in den vergangenen 10 bis 15 Jahren war und warum es ungemein wichtig ist, das Anspruchsdenken auf dem aktuellen Norbert-Meier-Niveau zu halten:
Ein zu hohes Anspruchsdenken in den 90er Jahren gepaart mit Managementfehlern der übelsten Art (teilweise resultierend aus diesem überzogenen Anspruchsdenken), haben Fortuna Düsseldorf Ende der 90er nach einem bereits erfolgreich bewältigten Totalabsturz Mitte der 90er erneut in den totalen Abgrund gejagt. Jeder, der in der Zweitligaabstiegssaison und den darauffolgenden Regionalliga-Spielzeiten die Fortuna aktiv verfolgt hat - denkt mit Grausen daran zurück, wie der Verein damals geführt wurde, was für eine Stimmung rund um den Verein herrschte und wie Fortuna in der Stadt Düsseldorf (von Entscheidern und den Menschen) wahrgenommen wurde.
Der Abstieg in die Oberliga war dann ganz unten. Um das nochmal zu betonen, falls das nicht so ganz klar geworden ist, durch all die Beiträge von Leuten wie janus , Brezel oder @DüsseldorferJong. Fortuna Düsseldorfs erste Mannschaft hat noch vor 8 Jahren gegen Bocholt, Freialdenhoven oder Aachen II gekickt. In einem ernst gemeinten Pflichtspiel. Da war nichts mehr mit Anspruchsdenken. Da war man über jeden angekommenen Pass froh - von den Qualitäten und Nicht-Qualitäten eines Thomas Bröker, eines Michael Ratajczak oder eines Ranisav Jovanovic war damals nicht mal zu träumen. DIESER VEREIN WAR GANZ UNTEN!!!! Und wenn es damals nicht ein paar hundert bis tausend Besser-Fortunen gegeben hätte, dann wäre heute nicht viel mit möglicher Bundesligarückkehr, Tor des Jahres, U21-Nationalspielern oder ausverkaufter Esprit-Arena. Dann wäre jetzt vor 1.200 Zuschauern gegen Wattenscheid, Hüls oder Krefeld-Fischeln.
Es folgten Jahre, in denen es mit Fortuna ganz ganz langsam wieder aufwärts ging und der ewige Fan trotzdem immer wieder enttäuscht wurde. Die Angst nach dem Wiederaufstieg in die Regionalliga, wo man zu Beginn noch kräftig gegen den Wiederabstieg kämpfte. Die Leiden im Verbandspokal, in unzähligen Auswärtsspielen zu irgendwelchen Wald- und Wiesenklubs, die so gar nicht zum Anspruchsdenken einer Landeshauptstadt und ihrer Einwohner passten. Da hat sich das Anspruchsdenken vieler gehörig geändert.
Mit welcher Demut der Verein sich in der Regionalliga aklimatisiert hat, beim HSVII-Spiel der Klassenerhalt aber plötzlich doch wieder auf des Messers Schneide stand - und wie Fortuna mit seinen Fans peu à peu Richtung Aufstiegsambitionen wuchs - mit dieser Wahnsinnseuphorie in Erfurt, wo 8.000 Fortunen sich aufgemacht hatten - 8.000, das war damals (und ist ja auch noch heute) eine ziemlich unvorstellbare Zahl. Und dann steigen diese scheiß Oberhausener auf. Auch das hat wieder für Demut gesorgt. Wir waren halt noch nicht dran. Aber wir konnten warten. Wir wussten, dass es noch viel viel schlimmer geht. Es gibt nämlich ziemlich viel Rumpelfußball unterhalb des Aufstiegkampfes der dritten Liga.
All die Fortunen, die beim Mythos-Spiel dabei waren, selbst noch die, die sich für 25.000+ in der halben Stadt lächerlich machten, weil sie mit "Was haben Sie am Wochenende vor? Gehen Sie doch mal wieder zur Fortuna!" größtenteils mitleidige Blicke ernteten (und am Ende trotz der Kessel-Aktion mit 27.375 Zuschauern belohnt wurden) - die wissen, wie mühsam der Weg bis hierhin war.
Was war das für diese Leute ein Gänsehautgefühl, als nach Braunschweig, Aalen und Bremen II plötzlich wieder der MSV Duisburg, der 1.FC Kaiserslautern oder Alemannia Aachen auf dem Spielplan standen. Das war der Wahnsinn. Und das ist gerade mal 2 1/2 Jahre her. Und seitdem fühlt sich für diese Leute halt fast alles rund um Fortuna rosarot an. Plötzlich zaubern hier Leute wie Bamba Anderson, Harnik, Ilsö, Rösler, Beister, Langeneke, Lambertz (und alle weiteren). Verglichen mit einem Thomas Hoersen oder einem Augustine Fregene sind Tobias Levels oder Johannes van den Bergh doch bar jeder Kritik. Ja, die verhageln mal eine Flanke oder stehen im Zweikampf zu weit weg. Na und? Die haben uns in Liga zwei auf Rang eins gebracht. Das sind Götter!
Natürlich müssen sie deswegen nicht wie Unantastbar behandelt werden - aber sie haben es verdient, dass man sie mit dem gleichen Respekt und der gleichen Demut behandelt wie die Viert- und Drittligakicker. Sie haben es verdient, in unserer Familie Fortuna Düsseldorf mit Anstand und Würde behandelt zu werden, denn wir müssen unfassbar glücklich sein, dass bis auf ganz mickrig wenige Ausnahmen, hier seit vielen Jahren kein Marcus Marin mehr rumgerannt ist.
Jetzt sind wir gefühlt fast wieder ganz oben und jeder, der der Fortuna so gut wie nie den Rücken kehrte, wünscht sich nichts sehnlicher, als einen Bundesligaaufstieg. Jeder Janus, Brezel oder sonstwer wird sich den mehrmals pro Woche vorstellen, diesen Moment, in dem der Aufstieg fest steht. Aber wenn das diese Saison nicht klappt? Wir können weiter warten! Wir können der Mannschaft, die jahrelang auswärts rumpelte und verlor und diese Saison eine Auswärts-Metamorphose hinlegte, auch eine Niederlage in Ingolstadt verzeihen. Das heißt nicht, dass wir da nicht unbedingt gewinnen wollen. Wir würden die ganze Woche danach übelst schlechte Laune haben und den Fußballgott verfluchen genauso wie innerlich auch Mannschaft und Trainer. Aber wir haben Geduld. Und Demut.
Und ich halte es für das Recht eines jeden "alten" Fortunen, die neue Generation darauf aufmerksam zu machen, was Fortuna in den letzten 15 Jahren war und was diesen Verein ausgezeichnet hat. Vor allem unter der Ägide von Wolf Werner und Norbert Meier.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Es ist die verdammte Pflicht der "Alten", dafür zu sorgen, dass jeder, der mit Flauseln im Kopf zu ihrer Fortuna kommt, geerdet wird und zu Verstehen bekommt, wo wir kürzlich noch waren und wie die Fußballwelt da unten so aussieht. Und dabei hat auch dieses Forum eine korrektive Aufgabe. Und ich feiere jedesmal innerlich, wenn jemand diese Aufgabe wahrnimmt und der neuen Generation (über die wir uns alle freuen - uns sind 50.000 im Stadion ja auch lieber als früher 4.000+Berthold) die Richtung zeigt. Wenn jemand diesen Weg nicht mitgehen will, sollte er sich darüber Gedanken machen, ob Fortuna Düsseldorf der richtige Verein für ihn ist. Und ob man bereit wäre, mit diesem Verein auch wieder durch die vierte Liga zu kriechen, wenn das Anspruchsdenken mal wieder zu hoch war und den Verein in den Abgrund getrieben hat.
Ich staune immer noch, wenn wir plötzlich gegen Bochum, Duisburg oder Aachen als Favorit ins Spiel gehen. Ich nehme immer noch keinen Zweitligasieg selbst gegen Ingolstadt, den FSV Frankfurt oder Cottbus für selbstverständlich. Ich will auch rauf und würde tagelang gefühlsorgasmieren, wenn wir es schaffen würden. Aber ich glaube das funktioniert alles nur über unseren Weg. Liebe neue Generation, geht den doch einfach mit (und bringt neue positive Ideen mit ein und sorgt auch gerne für konstruktive Reibereien zu kontroversen Themen), aber hört auf mit eurer Kritik und Nörgelei eine mittlerweile 8-jährige Erfolgsgeschichte zu torpedieren. Entwickelt ein wenig Gelassenheit auch gegenüber euren eigenen Meinungen. Und habt ein wenig Respekt vor denen, die Fortuna in der ganz schweren Zeit zur Seite standen.
Das wäre schön.