Alles anzeigenAber Privilegien für Geimpfte sind ja keine Benachteiligungen Ungeimpfter.
Natürlich. Weil es der direkte logische Umkehrschluss ist. Ziemlich verklärende Sicht der Dinge zu sagen, nur weil ich jemand anderen besser behandle, behandle ich niemanden anderen schlechter.
Man muss in dieser gesamten Situation differenzieren. Zwischen dem Zeitpunkt, dass der Impfstoff noch nicht für alle in der Fläche verfügbar ist wie jetzt und der Situation, dass er es hoffentlich bald sein wird. Ebenso muss man die Verfügbarkeit des Impfstoffs auch mit den tatsächlich wahrgenommenen Impfungen auseinanderhalten. Was nutzt es, wenn der Impfstoff flächendeckend verfügbar ist, aber nur 20% der Leute die Impfung wahrnehmen - dann ächzen die Krankenhäuser weiter an der Belastungsgrenze (oder vielleicht auch irgendwann darüber hinaus)
Man sollte bei der Impfung eines nicht vergessen: Sie stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, den jeder über sich ergehen lassen muss. In der Folge verändert sich etwas im Körper. Es ist also kein Placebo, was man injiziert bekommt, sondern ein Stoff, der eine gewisse Wirkung entfaltet. Man kann es verteufeln, von genetischer Veränderung und nicht absehbaren Langzeitfolgen reden (ein Glück, dass sie bei Covid absehbar sind), man kann es aber auch verharmlosen, wie ich es vielleicht teilweise auch gemacht habe (aber bei diesem ganzen Impfgegner Geschnodder geht mir halt auch manchmal die Hutschnur hoch). Es ist aber eben auch nicht so, als müsste man nur etwas unterschreiben und damit wäre alles geregelt
Jetzt stellt sich die Frage, ob diejenigen bereits wieder ins normale Leben zurückkehren könnten, die jetzt Geimpft sind, sofern von ihnen selbst auch keine Infektionsgefahr mehr ausgehen kann. Eine ähnliche Frage stellt sich auch hinsichtlich derjenigen, die möglicherweise nach ihrer Genesung (fürs erste) immun gegen Covid sind. Sollte diese Menschen wieder ein normales Leben führen können, während die anderen zurückstehen müssen und (sehnsüchtig) auf ihren Impftermin warten, der aufgrund von Eigenschaften, für die sich nichts können, möglicherweise noch zahlreiche Monate in der Zukunft liegt? Dafür spricht, dass von den Geimpften/Immunen (mutmaßlich) keine Gefahr mehr ausgeht. Sie können andere (mutmaßlich) nicht mehr anstecken und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich selbst anstecken ist sehr gering. Insbesondere wenn sie ihrerseits nur unter Immunen und Geimpften in der Öffentlichkeit verkehren. Sind solche Grundrechtseinschränkungen ihnen gegenüber dann noch verhältnismäßig?
Diese Frage beantworten nicht wenige ja inzwischen mit nein. Aber was ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 GG? Man kann es "Privilegierung" nennen, das würde aber bedeuten, man würde solch weitreichende Grundrechtseinschränkungen als Normalfall ansehen. Nein, so ist es mitnichten. Diese Grundrechtseinschränkungen stellen einen tiefgreifenden Eingriff in unser aller Leben dar, sie können niemals die Regel sein dürfen. Die Menschen, die nicht geimpft sind, müssen folglich unter Grundrechtseingriffen leiden unter denen die anderen nicht mehr leiden müssen. Eine Ungleichbehandlung ist gegeben. Ebenso liegt ein Grund dafür vor: Sie sind nicht Geimpft - aber das ist mitnichten ein Grund, für den die Nichtgeimpften in dieser Situation etwas können. Vielmehr ergibt sich dieser "Zustand" daraus, dass sie sich selbst (solidarisch) hintenanstellen und andere Menschen, die mehr gefährdet sind oder mit Menschen, die mehr gefährdet sind regelmäßigen Kontakt haben, den Vortritt lassen (müssen). Man verlangt von den Menschen diese Solidarität zum Schutz der Risikopatienten und ihres Umgangs. Und die allermeisten sind auch bereit dies solidarisch zu akzeptieren. Dann kann man sie doch nicht dafür bestrafen, dass sie sich solidarisch zeigen und ihnen eine andere Behandlung zukommen lassen als denjenigen, denen sie sich solidarisch unterordnen. Damit hat ein Schäuble durchaus recht: Das hat enormes gesellschaftliches Sprengstoffpotential. Und wenn man sieht, wie andere wieder ins Leben zurückkehren, wird die Solidarität bei vielen Menschen auch rapide abnehmen im Willen es ihnen gleichzutun.
Bislang ist der Staat nicht Gewillt, zwischen Geimpften/Immunen und Ungeimpften zu unterscheiden. Spannend wird sein, wenn erste klagen von Geimpften gegen die Allgemeinverfügungen ergehen. Ebenso wie der Staat verfahren wird, sollte den Klagen stattgegeben werden. Es stehen Maßnahmen wie eine Änderung des AGG im Raum, wo auch eine Differenzierung von Geimpften und Ungeimpften aufgenommen werden könnte, sodass es nicht mehr erlaubt sein könnte, seine Entscheidung hinsichtlich eines Vertragsschluss vom Geimpftsein oder Ungeimpftsein des Gegenübers abhängig zu machen. Eine Impfung ist zwar keine unveränderbare Eigenschaft wie die Hautfarbe oder Herkunft, aber vor dem Hintergrund, dass ihr ein körperlicher Eingriff zugrunde liegt, halte ich den Gedanken für durchaus vertretbar. Kann es zulässig sein, den Vertragsschluss davon abhängig zu machen, ob das gegenüber einen körperlichen Eingriff mittels Beibringung eines Impfstoffs über sich hat ergehen lassen oder nicht? Dass das früher oder später vor Gericht zu klären wäre, dürfte absehbar sein. Diesbezüglich wird ja gerne das Masernurteil des BVerfG angeführt. Wie aber bereits besprochen stellte sich hier der Sachverhalt ein wenig anders dar. Es ging hierbei u.a. um den Schutz besonders gefährdeter Kleinkinder, die sich erst ab einem gewissen Alter selbst durch Impfung schützen lassen können. Dies wird aber bei entsprechender flächendeckender Verfügbarkeit des Covid-Impfstoffs aber nur noch bei ganz wenigen Menschen der Fall sein, die sich aufgrund von Allergien oder anderen Gründen nicht impfen lassen können - und ob der Schutz einer weniger wirklich solche Benachteiligungen rechtfertigt?
Darüber hinaus ergeben sich auch noch Datenschutzrechtliche Aspekte. Kann es wirklich zulässig sein, gegenüber x-beliebigen Unternehmern einen Gesundheitsnachweis erbringen zu müssen, um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können? Was geht es die Unternehmer an meine Gesundheit an, wenn nicht gerade die Art des Unternehmens gewisse Gesundheitsrisiken in Verbindung mit einer gesundheitlichen Eigenschaft/Krankheit mit sich bringt? Ob ich mich selbst gefährden will, bleibt immer noch mir selbst überlassen. Und wenn für die Unternehmer keine Haftungsgründe über die betriebsspezifische Gefahr hinausgehend bestehen, besteht auch kein Grund, mich ihnen gegenüber offenbaren zu müssen.
Und das werden auch die entscheidenden Punkte, wenn der Impfstoff dann künftig flächendeckend verfügbar (und auch in ausreichender Quote genutzt) ist. Sobald die Impfquote und die konkreten Zahlen sich so darstellen, dass keine Gefahr der Überlastung für das Gesundheitssystem mehr bestehen, verlieren die schwerwiegenden Grundrechtseingriffe größtenteils ihre Grundlage. Ein jeder Mensch kann sodann selbst für sich die Entscheidung treffen sich zu schützen oder nicht. Wie bei der Grippe oder anderen Viruserkrankungen. Folglich stellt sich auch die Frage, aus welchem Grund Unternehmer bei der Wahl des Vertragspartners eine Impfung als Ausschlusskriterium nutzen können sollten, sofern es keine betriebsspezifischen Gründe dafür gibt. Hier wird die Privatautonomie richtigerweise ihre Grenzen finden müssen.
Wer nicht mit Menschen verkehren möchte, die nicht Geimpft sind, dem steht das frei dies nicht zu tun - und sich entsprechend selbst weiterhin einzuschränken. Allen anderen wird so hoffentlich die individuelle Wahl zur Seite stehen, sich impfen lassen zu können oder diese Impfung abzulehnen. Das alles in der Hoffnung, dass ausreichend Menschen die Impfung wahrnehmen werden, sodass wir alsbald zu einer gewissen Normalität werden zurückkehren können und dem Virus die Verbreitung entsprechend durch deutlich weniger Wirt erschwert wird, sodass auch Menschen, die die Impfung aus Gründen nicht wahrnehmen können mittelbar ausreichend durch diesen Schutzring mitgeschützt werden. Ganz los werden wir dieses Virus mutmaßlich auf absehbare Zeit nicht, dafür bedürfte es einer eisernen Impfdisziplin hin zur Ausrottung. Aber wie wollen wir solch ein flexibles und leicht übertragbares Virus auf die schnelle ausrotten, wenn wir es nicht mal mit den Masern schaffen, obwohl dazu alle Voraussetzungen gegeben wären?
Letztlich ist es aber die Entscheidung eines jeden selbst, diesen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit über sich ergehen zu lassen. Und angesichts der Tragweite dieser Entscheidung (die für die einen nur marginal, für die anderen wiederum kolossale Ausmaße und Folgen annimmt), sollte sich daraus auch für niemanden (weitreichende) Nachteile ergeben. Egal ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich.
Mehr gibt es nicht dazu zu sagen. Danke für deine Mühe und Zeit die du dir genommen hast.