Das aktuelle Wortstudio

  • Die Virologen, Epidemiologen, Infektiologen, Pneumologen, Informatiker, Gesundheitsrechtler, Ökonomen, Soziologen, Psychologen und weitere Experten geben ihre Empfehlungen ab – danach hat die Politik das Wort. Da sind sprachliche Themen erst einmal nachrangig. Gleichwohl sei an diesem sonnigen Mittwochvormittag die Debatte in unserem schönen ›Aktuellen Wortstudio‹ ergänzt um ein ...




    Kleines kommentiertes Glossar zu Corona


    Epidemie

    Das Wort wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus mittellateinisch epidemia entlehnt, das zurückgeht auf griechisch ̕επιδημία [= Verbreitung (einer Krankheit)‹] zu griechisch ̕επιδήμιος ›im ganzen Volk verbreitet‹. Pandemie ist erstmals 1837 belegt für eine ›weltweit verbreitete Seuche‹, wohl eine Neubildung zu gleichbedeutendem griechisch πανδήμιοσ.



    Herdenimmunität

    Bedeutung: Man lässt die Ausbreitung der Epidemie zu und erwartet ein Abklingen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Krankheit überstanden habe und gegen weitere Ansteckung immun ist. Es stört das Wort ›Herde‹, das im Deutschen ausschließlich für Viehherden gebraucht wird. Menschen sind aber kein Vieh. Das Wort ist eine Fehlübersetzung von englisch herd immunity, besser übersetzt als ›Massenimmunität‹, denn herd bezeichnet nicht nur eine ›Herde‹, sondern auch a large group of people (Oxford English Dictionary).

    Dies ist ein typischer Fall von Faux Amis [= ›falsche Freunde‹]. Dies sind Wortpaare verschiedener Sprachen, die sich formal ähneln, aber verschiedene Bedeutungen haben. Hier droht eine Übersetzungsfalle da die Bedeutungen von englisch herd und deutsch ›Herde‹ nur teilweise verschieden sind.



    Homeoffice/Home Office

    Klingt die deutsche Entsprechung ›Heimarbeit am Computer (oder ›Heimarbeit am Rechner‹) zu bieder? Gewinnt diese Arbeitsform an Reiz und Ansehen, wenn wir sie auf Englisch ausdrücken? Vielleicht will man ja dadurch die Erinnerung an die ausbeutungsgefährdende Heimarbeit ausblenden, in der vom Auftraggeber nach Stücken oder Stunden bezahlt wird.

    In Großbritannien wird unter Home Office das Innenministerium verstanden. Die Kollegen, die ihren nicht systemrelevanten Berufen von zu Hause, vom heimischen Schreibtisch, Sofa oder Balkon nachgehen, arbeiten in England from home, remotly oder sind mit remote working befasst – auch wenn es dort den Begriff home office für ein ›kleines Heimbüro‹ gibt.

    Im Deutschen ist es eine ebenso unbedachte Bezeichnung wie die belustigenden Begriffe ›Handy‹, ›Oldtimer‹, ›Talkmaster‹, ›Beamer‹ oder ›Public Viewing‹.



    Influenza

    Das Wort stammt aus dem 18. Jahrhundert und wurde entlehnt aus italienisch influenza, das schon um 1500 die Bedeutung ›Ausbruch einer Krankheit‹ hatte; das Wort verbreitete sich mit der Grippe-Epidemie, die 1743 von Italien ausging. Unsere Grippe wurde damals aus französisch grippe entlehnt.



    Inkubationszeit

    Das Wort bezeichnete in seinem lateinischen Ursprung incubatio die ›Brutzeit der Vögel‹, wörtlich: ›auf den Eiern liegen‹. [Man verkneife sich naheliegende Scherze.] Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist es belegt für ›Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch einer Infektionskrankheit‹.



    Quarantäne

    Das Wort geht zurück auf italienisch quarantina [= ›40 Tage‹], im aktuellen Italienischen quarantena, und ist übertragen auf die Wartezeit seuchenverdächtiger Schiffe vor dem Hafen. Es ist erstmals belegt 1374, als die Venezianer einem Schiff wegen Pestgefahr die Einfahrt verweigerten. Das Wort wurde vor allem bei Einwanderung oder Überseetransporten verwendet. Jetzt kennen wir auch die häusliche Quarantäne, die vielen Bewohnern angesichts der Corona-Epidemie verordnet wird. Erfreulicherweise dauert diese Abgeschiedenheit weniger als vierzig Tage.



    Virus

    ›Virus‹ wurde im späten 19. Jahrhundert aus englisch oder französisch virus entlehnt, das auf lateinisch virus [= ›Gift, Saft‹] zurückgeht. Das Geschlecht schwankt, was immer wieder zu Diskussionen führt. Im Lateinischen ist es neutral, im Deutschen nach dem Muster der allermeisten Wörter auf -us oftmals maskulin (so auch der Computervirus). Der Grund: Mit zunehmender Verwendung in der Alltags- und Umgangssprache wird der Virus geläufiger, wir passen das Wort und sein dazugehöriges Genus an die anderen auf -(ism)us endenden Wörter im Deutschen (der Luxus, der Egoismus, der Rhythmus) an und wählen das Genus, welches für uns üblich klingt – der Virus. Das heißt: Sowohl das Virus als auch der Virus sind verbreitet und korrekt. Der Virologe hat wahrscheinlich sein Vorbild in französisch virologue.



    Vorerkrankung

    Bedeutung: Dieses Fachwort aus der Versicherungswirtschaft bezeichnet eine vor Eintritt in die Versicherung durchgemachte Erkrankung. Aus dieser Verwendung ist die zweite Bedeutung abgeleitet, ›eine schon vor einer Behandlung oder Operation vorhandene Erkrankung‹. Danach wird der Patient in der Anamnese gefragt.

    Dieser Begriff gilt genau genommen erst im konkreten Fall der Erkrankung. Solange jemand nicht aktuell krank ist, ist er auch nicht vorerkrankt. In der Rede von den gefährlichen Vorerkrankungen wird die Ansteckung schon vorweggenommen. Der Begriff Vorerkrankung macht die Leute zu Kranken, obwohl sie noch gesund sind.



    *****


    Es gibt zwischen dem Sprachgebrauch und dem Sprachsystem einen Zusammenhang, der uns zu sprachlichen Freiheiten verhilft: Einerseits können wir nur das gebrauchen, was das Sprachsystem vorhält, aber andererseits kann durch den Sprachgebrauch das System auch verändert werden. So dürfen wir gespannt sein, wie sich Sprache und Wortschatz auch infolge der Corona-Krise [corona = lateinisch für ›Kranz, Krone‹] weiterentwickeln.

    "Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden [...] in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand ..." | [Quelle: wikipedia, abgerufen am 24.05.2013] Regionalliga West, Saison 1967/68, 15. Spieltag, 12.11.1967 | Fortuna 95 - Westfalia Herne 4:0

  • Homeoffice/Home Office

    Klingt die deutsche Entsprechung ›Heimarbeit am Computer (oder ›Heimarbeit am Rechner‹) zu bieder?

    Ich bin da grundsätzlich bei dir, versuche auch Anglizismen zu vermeiden und ziehe den deutschen Begriff vor. In diesem speziellen Fall möchte ich aber anmerken, dass das Wort "Heimarbeit" als eher negativ besetzter Begriff in der Arbeitswelt gilt.


    Das liegt daran, dass in den Neunzigern, wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch war, die Stellenanzeigen in den Zeitungen hauptsächlich (in Ermangelung an richtigen Arbeitsplätzen) aus Heimarbeitstätigkeiten bestand. Das waren sehr oft unseriöse Firmen, die den Anschein erweckt haben, dass man mit einfachen Tätigkeiten von zu Hause aus (etwas das Montieren von Kugelschreibern) viel Geld verdienen konnte. Das war natürlich nicht der Fall und die Arbeitssuchenden wurden häufig in der Not, einen Job zu finden, abgezockt.

  • Homeoffice/Home Office

    Klingt die deutsche Entsprechung ›Heimarbeit am Computer (oder ›Heimarbeit am Rechner‹) zu bieder?

    Ich bin da grundsätzlich bei dir, versuche auch Anglizismen zu vermeiden und ziehe den deutschen Begriff vor. In diesem speziellen Fall möchte ich aber anmerken, dass das Wort "Heimarbeit" als eher negativ besetzter Begriff in der Arbeitswelt gilt.


    Das liegt daran, dass in den Neunzigern, wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch war, die Stellenanzeigen in den Zeitungen hauptsächlich (in Ermangelung an richtigen Arbeitsplätzen) aus Heimarbeitstätigkeiten bestand. Das waren sehr oft unseriöse Firmen, die den Anschein erweckt haben, dass man mit einfachen Tätigkeiten von zu Hause aus (etwas das Montieren von Kugelschreibern) viel Geld verdienen konnte. Das war natürlich nicht der Fall und die Arbeitssuchenden wurden häufig in der Not, einen Job zu finden, abgezockt.

    Wörter können aber auch eine neue Bedeutung erlangen. (z.B. billig), Egon schrieb ja zudem auch "Heimarbeit am Rechner", das wäre allerdings zu lang. Vielleicht können wir ja hier ein "neues" passendes Wort suchen. Ich werfe mal folgendes in die Runde:


    Hausarbeit (:))


    Heimbüro (das entspricht dem Verständnis nach dem Homeoffice am ehesten)


    ich verstehe auch nicht, warum überall #stayathome steht, #zuhausebleiben klingt doch viel schöner.

  • Weil alles verdenglisht wird. Wer kennt denn Capri-Sun und Saltletts? :-I

  • At work habe ich mich ja ans Englische gewöhnt. Die Hälfte der Kollegen, mit denen ich vom HomeOffice aus kommuniziere, sitzt in Vietnam. Das, was die an Deutsch können, ist für die Arbeit eher unbrauchbar. Mein Vietnamesisch lässt auch zu wünschen übrig.


    Aber in der Freizeit möchte ich rumgammeln und nicht chillen.

    Wie dumm kann man eigentlich sein?


    - Ja!

  • Aber in der Freizeit möchte ich rumgammeln und nicht chillen.

    Ich fläze lieber.

    Du hast Recht. Gerade unter Berücksichtigung der in Zusammenhang Heimbüroarbeit kursierenden Gerüchte bzgl. eines Sich-Gegen-Lassens, sollte man in der Freizeit nicht einfach weitergammeln.

    Wie dumm kann man eigentlich sein?


    - Ja!

  • Homeoffice/Home Office

    Klingt die deutsche Entsprechung ›Heimarbeit am Computer (oder ›Heimarbeit am Rechner‹) zu bieder?

    Ich bin da grundsätzlich bei dir, versuche auch Anglizismen zu vermeiden und ziehe den deutschen Begriff vor. In diesem speziellen Fall möchte ich aber anmerken, dass das Wort "Heimarbeit" als eher negativ besetzter Begriff in der Arbeitswelt gilt.


    Das liegt daran, dass in den Neunzigern, wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch war, die Stellenanzeigen in den Zeitungen hauptsächlich (in Ermangelung an richtigen Arbeitsplätzen) aus Heimarbeitstätigkeiten bestand. Das waren sehr oft unseriöse Firmen, die den Anschein erweckt haben, dass man mit einfachen Tätigkeiten von zu Hause aus (etwas das Montieren von Kugelschreibern) viel Geld verdienen konnte. Das war natürlich nicht der Fall und die Arbeitssuchenden wurden häufig in der Not, einen Job zu finden, abgezockt.

    Aber das ist doch ewig her. Meine Kollegen/innen haben eigentlich kein Problem zu sagen: "ich habe jetzt einen Heimarbeitsplatz."

    Das deutsche Wort wird bei uns öfters benutzt, als "Home Office".

  • Na ja, den Babelturm, den ich habe... Ich bin ja zweisprachig aufgewachsen und habe sehr früh begonnen, Englisch zu lernen. Deutsch und Englisch sind meine "Arbeitssprachen", bzw. Ungarisch mit den Kollegen aus dem Büro. Da kommt es schon vor, dass ein Wort mir zwar in einer Sprache einfällt, aber halt in einer anderen, die ich gerade brauche (hatte sogar mal den Fall gehabt, dass mir ein Wortin Deutsch, Englisch und in meinem völlig verkrusteten Französich eingefallen ist, aber auf Ungarisch nicht :-D ).


    Jetzt ist es noch skuriler bei mir geworden: ich habe viele Telefonkonferenzen/Calls, wo die Schweizer Kollegen halt Schweizerhochdeutsch sprechen (wenn sie vergessen, dass ich da bin, sogar mal Bärndütsch) und bin in einem globalen Call drin, wo von Mexiko bis Indonesien die halbe Welt vertreten ist. Da lernt man schnell die diversen Akzente zu verstehen. :-D


    Ok, Off-topic Ende.

  • Ich hole das mal hierhin, weil mich das mehr stört, als Anglizismen. Im letzten Absatz des Artikels steht der folgende Satz: "In De Graafschap war die Wut offenbar nicht ganz so graß, dort überwog ein anderes Gefühl."


    In De Graafschap? Auf Deutsch "die Grafschaft" bezeichnet hier die alte Grafschaft Zutphen (ca. gleich mit der heutigen Region Achterhoek), wo die Stadt Doetinchem liegt, dessen Verein De Graafschap ist... Hier finde ich "in" doch fehl am Platz, oder?

    Lieber Ungar, als gekocht. ;--)F

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ordnassac () aus folgendem Grund: Etwas eindeutiger, worauf ich hinaus will