Die wahren Offtopics

  • Dieses Politik machen über Richter und nicht mehr über Parlamente scheint wohl dem Rechtssystem über Präzedenzfälle geschuldet zu sein.

    Ich bin da nicht ganz vertraut mit der Thematik, aber ist dem so?

    Hier kassieren auch Gerichte Gesetze ein, aber dort scheint es andere Dimensionen zu haben.

    Fortunanovesia hat es schon sehr gut dargestellt, eine Ergänzung noch:


    im amerikanischen Verfassungssystem sind die Checks & Balances sehr groß geschrieben, bzw. die amerikanische "Urangst" von einem tyrannischen Herrscher, der die totale Macht an sich reißt. Deswegen sind auch die meisten Posten der Exekutive (bis hin zu solch obskuren, wie wer im Vorstand der Tennessee Valley Authority sitzt, einer dem föderalen Staat gehörende Elektrizitätsfirma), bzw. der föderalen Judikative dem "advice and consent" des Senats unterstellt, also muss der Senat (als der Teil der Legislative, die die Bundesstaaten vertritt) diese Nominierungen absegnen. Dies ist eine amerikanische Besonderheit, damit will man die mögliche "präsidentielle Willkür" verhindern. Bei den föderalen Richtern kommt hinzu, dass der Senat als "präventives Kontrollgremium" gilt, da diese ja auf Lebenszeit ihre Posten bekommen.


    Als Beispiel: eine Wahl der Richter des Bundesgerichtshofes wäre hier unvorstellbar, da die Gewaltenteilung im europäischen Verfassungssystem in der Hinsicht rigoroser durchgezogen wird. Es würden Leute auch blöd gucken, wenn der/die deutsche Botschafter/in nach Uruguay vom Bundesrat abgesegnet werden müsste.


    Das Problem mit diesem System ist: es müssen alle beteiligten Gewalten das gleiche konstitutionelle Verständnis haben (also auch: diese konstitutionellen Werte auf einem höheren Regal halten, als die eigene politische Richtung, andere Normensysteme oder persönliche Gepflogenheiten). Wenn dies aber nicht so ist, gerät das System ins Wanken, wie man es jetzt sehen kann.

    Lieber Ungar, als gekocht. ;--)F

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ordnassac () aus folgendem Grund: kleine Korrektur

  • Falls es den ein oder anderen noch weiter interessiert:

    Das ging aber schnell mit dem verbot von Abtreibungen. Mal schauen wann das Supreme Court auch an Homoehe, Sexuale Ausrichtungen geht.

    genau das hat der Alt-Konservative Clarence Thomas ja bereits ins Visier genommen. Der hat übrigens ne recht sympathische Frau btw.


    Im amerikanischen Rechssystem ist es zwar auch so, dass es nur ein Urteil gibt. Richter machen aber häufig davon Gebrauch eine vom Urteil abweichende Meinung an das Urteil anzufügen, sei es weil sie mit dem Urteil nicht einverstanden sind oder weil es ihnen nicht weit genug geht.


    Davon hat auch der erzkonservative Richter Clarence Thomas Gebrauch gemacht und ebenfalls gesagt, dass man das Urteil nicht als Präzedenzfall auf andere Urteile wie zur Homo-Ehe oder das Recht auf Verhütung in der Ehe anwenden könne. Diese einschränkende Interpretation der Entscheidung wird wiederum von den liberalen Richtern in ihrer eigenen Meinung deutlich in Zweifel gezogen. Das Gericht sollte das Urteil laut Clarence aber als Anfang verstehen, auch in Zukunft "fehlerhafte" Urteile des Supreme Courts aus der Vergangenheit zu korrigieren. Da von diesen Entscheidungen solche Gefahren ausgingen. solle man zur Not auch die "due process clause" übergehen, die jedem bei drohendem Rechtsentzug das Recht auf ein ordnungsgemäßes (und nicht nur gekürztes) Verfahren zusichert.


    Er benannte dabei insbesondere die Fälle:


    • Griswold v. Connecticut (1965)

    Mit dem Urteil wurde das Recht auf Privatsphäre in der Ehe genauer beschrieben und aus ihm wurde ein Recht auf Schwangerschaftsverhütung in der Ehe abgeleitet.


    • Lawrence v. Texas (2003)

    Mit dem Urteil wurde gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr straffrei und es wurde in seiner Anwendung auch auf andere bis dahin als "unzüchtige" einvernehmliche Sexualpraktiken ausgedehnt.


    • Obergefell v. Hodges (2015)

    Mit dem Urteil wurde das Recht gleichgeschlechtlicher Ehepaare auf staatenübergreifende Freizügigkeit und ihr Recht auf Eheschließung anerkannt. Insbesondere letzteres war aber hochumstritten und würde mit Blicknauf die Besetzung der Gerichte mit Sicherheit heute nicht mehr so entschieden werden.


    Thomas steht zwar wohl noch recht alleine da, was diese Revidierungswelle angeht, mit Blick auf die gefestigte konservative Mehrheit (6:3), wird die US-Rechtsprechung aber noch auf Jahre bis Jahrzehnte hinweg ein entsprechendes Bild behalten. Und wenn man dann noch an die Zwischenwahlen denkt, wo die Demokraten stand jetzt ihre Mehrheit in beiden Häusern verlieren werden und an einen Trump, der bereits in den Starlöchern steht für 2024, stehen der freien Welt jenseits des Atlantiks, aber auch insgesamt wohl viele dunkle Jahre ins Haus.


    Der Spiegel dazu mit einem passenden Artikel, leider plus:


    "Weltweit schrumpft die Zahl der Demokratien, autokratische Länder melden mehr Patente an als der gesamte Westen: Eine völlig neue Ära ist angebrochen. Das hat dramatische Folgen – für unsere Arbeit, unser Geld, unser Leben."


    Knapp 80 Jahre nach Ende des größten Kriegs der Geschichte und nach Jahrzehnten des Wohlstands leben wir in einer Welt, in der Frieden, Freiheit und Demokratie alles andere als selbstverständlich sind und auch in vermeintlich gefestigten Staaten zunehmend bröckeln.

    "Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!"

    "Don't cry because it's over, smile because it happened."

  • im amerikanischen Verfassungssystem sind die Checks & Balances sehr groß geschrieben, bzw. die amerikanische "Urangst" von einem tyrannischen Herrscher, der die totale Macht an sich reißt

    und dann spült es einen Mann wie Trump ins weiße Haus und die Rednecks jubeln.

    Fatal ist mir das Lumpenpack, Das, um die Herzen zu rühren, Den Patriotismus trägt zur Schau, Mit allen seinen Geschwüren.

    Heinrich Heine. Deutschland, ein Wintermärchen, 1844

  • im amerikanischen Verfassungssystem sind die Checks & Balances sehr groß geschrieben, bzw. die amerikanische "Urangst" von einem tyrannischen Herrscher, der die totale Macht an sich reißt

    und dann spült es einen Mann wie Trump ins weiße Haus und die Rednecks jubeln.

    Und plötzlich ist das mit der Balance of Power in den konservativen Kreisen alles relativ...

    "Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!"

    "Don't cry because it's over, smile because it happened."

  • im amerikanischen Verfassungssystem sind die Checks & Balances sehr groß geschrieben, bzw. die amerikanische "Urangst" von einem tyrannischen Herrscher, der die totale Macht an sich reißt.

    Und ich dachte immer, die größte Urangst wäre vor allem die vor dieser kommunistischen Krankenversicherung. --;)ir

  • im amerikanischen Verfassungssystem sind die Checks & Balances sehr groß geschrieben, bzw. die amerikanische "Urangst" von einem tyrannischen Herrscher, der die totale Macht an sich reißt.

    Und ich dachte immer, die größte Urangst wäre vor allem die vor dieser kommunistischen Krankenversicherung. --;)ir

    Nun ja, Ironie oder nicht, in gewissen Kreisen wird halt die gesetzliche Krankenversicherung als willkürliches Eindringen des Staates in die Privatsphäre interpretiert, also ein Schritt in die Tyrannei ist.


    (Das kommt teilweise vom sehr breit intepretierten Freiheitsbegriff, in der die Freiheit von der Krankenversicherung mit einbeschlossen ist).

  • (Das kommt teilweise vom sehr breit intepretierten Freiheitsbegriff, in der die Freiheit von der Krankenversicherung mit einbeschlossen ist).

    Aber interessanterweise die Freiheit einer Frau sich für eine Abtreibung zu entscheiden nicht inkludiert.


    So tendenziös wie von konservativer-libertärer Seite ausgelegt, verkommt auch der Begriff "Freiheit" immer mehr zum politischen Kampfbegriff. Freiheit ist letztlich nur dasjenige, das den eigenen Interessen dient.

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  • Und ich dachte immer, die größte Urangst wäre vor allem die vor dieser kommunistischen Krankenversicherung. --;)ir

    Nun ja, Ironie oder nicht, in gewissen Kreisen wird halt die gesetzliche Krankenversicherung als willkürliches Eindringen des Staates in die Privatsphäre interpretiert, also ein Schritt in die Tyrannei ist.


    (Das kommt teilweise vom sehr breit intepretierten Freiheitsbegriff, in der die Freiheit von der Krankenversicherung mit einbeschlossen ist).


    Ist denn die Haftpflichtversicherung fürs Auto etwa auch freiwillig...? (Ist sie nicht, wenn auch die Mindestdeckungssummen oft erschreckend niedrig sind.)

  • (Das kommt teilweise vom sehr breit intepretierten Freiheitsbegriff, in der die Freiheit von der Krankenversicherung mit einbeschlossen ist).

    Aber interessanterweise die Freiheit einer Frau sich für eine Abtreibung zu entscheiden nicht inkludiert.


    So tendenziös wie von konservativer-libertärer Seite ausgelegt, verkommt auch der Begriff "Freiheit" immer mehr zum politischen Kampfbegriff. Freiheit ist letztlich nur dasjenige, das den eigenen Interessen dient.

    Die Freiheit der deutschen Dichter und Denker und die Freiheit der Aufklärung und der französischen Revolution ist es jedenfalls nicht, was der heutige Gebrauch des Wortes beinhaltet oder ausdrücken soll.

    Ich mag Amateure. Denn sie tun es aus Liebe.

  • US-Konzerne machen mobil gegen das Urteil des Supreme Court und wollen ihre Mitarbeiter finanziell dabei unterstützen, landesweit die gleiche Gesundheitssorge wahrnehmen zu können.


    Unter ihnen ist angeblich auch Tesla. Verwunderlich, wo doch Ober-Guru Musk immer mehr mit Trump sympathisiert, erst vor kurzem in die GOP eingetreten ist und seinem Favoriten als Präsidentschaftskandidaten wohl rund 20 Mio spenden will.


    Man könnte fast meinen so Urteile wie das von Freitag, die kommen einfach aus dem nichts und keiner kann sich erklären, wie das eigentlich passieren konnte. Mensch. Das hat doch eigentlich niemand gewollt, als er Trump gewählt hat. Egal, lass nochmal Trump wählen...

    "Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!"

    "Don't cry because it's over, smile because it happened."

  • (Das kommt teilweise vom sehr breit intepretierten Freiheitsbegriff, in der die Freiheit von der Krankenversicherung mit einbeschlossen ist).

    Aber interessanterweise die Freiheit einer Frau sich für eine Abtreibung zu entscheiden nicht inkludiert.


    So tendenziös wie von konservativer-libertärer Seite ausgelegt, verkommt auch der Begriff "Freiheit" immer mehr zum politischen Kampfbegriff. Freiheit ist letztlich nur dasjenige, das den eigenen Interessen dient.

    meinst Du libertär oder liberal??? Bei letzterem stimme ich gerne zu - bei ersterem nicht, zumal diese Richtung (leider) nicht sonderlich gesellschaftlich oder gar ökonomisch relevant ist.

  • Aber interessanterweise die Freiheit einer Frau sich für eine Abtreibung zu entscheiden nicht inkludiert.


    So tendenziös wie von konservativer-libertärer Seite ausgelegt, verkommt auch der Begriff "Freiheit" immer mehr zum politischen Kampfbegriff. Freiheit ist letztlich nur dasjenige, das den eigenen Interessen dient.

    Von dem Gegensatz "gegen Abtreibung, aber pro Todesstrafe", was ja dem "Pro-Life-Prinzip" eher weniger entspricht erst gar nicht zu sprechen.

  • meinst Du libertär oder liberal??? Bei letzterem stimme ich gerne zu - bei ersterem nicht, zumal diese Richtung (leider) nicht sonderlich gesellschaftlich oder gar ökonomisch relevant ist.

    Ist schon recht, es gibt nicht "den Libertarismus". Ich meinte aber durchaus libertär im Sinne von Rechtslibertarismus insbesondere hin zum Paläolibertarismus, der erhebliche Schnittmengen mit dem Konservatismus und zunehmend auch Rechtspopulismus aufweist. Die Libertarian Party selbst spielt in den USA zwar nur eine untergeordnete Bedeutung, das rechtslibertäre Gedankengut spielt aber insbesondere bei den Republikanern eine wichtige Rolle.


    Zum Thema Abtreibungen und Libertarismus. Hierdurch lässt sich auch vermutlich unser bis hierhin unterschiedliches Verständnis erklären.


    Zitat

    Libertäre fördern die individuelle Freiheit und versuchen, die Rolle des Staates zu minimieren. Die Abtreibungsdebatte findet hauptsächlich im Rahmen des Rechts-Libertarismus zwischen Kulturliberalen und Soziokonservativen statt, da Link-Libertäre dies im Allgemeinen als kein Thema ansehen, da sie den legalen Zugang zur Abtreibung als Teil ihrer allgemeinen Unterstützung für individuelle Rechte unterstützen, insbesondere in Bezug auf das, was sie tun Betrachten Sie als das Recht einer Frau, ihren Körper zu kontrollieren.

    Der paläolibertären Republikaner Ron Paul, ehemals Mitglied der Libertarian Party in seinem Buch "Abortion and freedom":


    Zitat

    "Es ist kein Zufall, dass der heutige Streit um Abtreibung zu einer Zeit kommt, in der die Freiheit im Allgemeinen sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in anderen westlichen Ländern bedroht ist. Es war auch kein Zufall, dass Völkermord, Abtreibung und Sterbehilfe unter Hitler praktiziert wurden und dass alle drei totalitäre Staaten charakterisieren. Noch heute variieren die kommunistischen Regierungen ihre Positionen zur Abtreibung streng nach wirtschaftlichen Berechnungen, ob mehr oder weniger Sklaven benötigt werden. "


    Seine Hauptposition sieht vor, Roe v. Wade zu stürzenund die Staaten über das Problem entscheiden zu lassen .Ron Pauls Sohn, der republikanische Senator Rand Paul, nennt sich "total pro-life" und unterstützt "alle Gesetze, die die Abtreibung beenden oder uns in die Richtung der Beendigung der Abtreibung führen würden". Der Präsidentschaftskandidat der Libertarian Party im Jahr 2008 war Bob Barr, der Abtreibung als "Mord" bezeichnet und sich gegen legalisierte Abtreibung ausgesprochen hat.

    "Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!"

    "Don't cry because it's over, smile because it happened."

  • US-Konzerne machen mobil gegen das Urteil des Supreme Court und wollen ihre Mitarbeiter finanziell dabei unterstützen, landesweit die gleiche Gesundheitssorge wahrnehmen zu können.


    Unter ihnen ist angeblich auch Tesla. Verwunderlich, wo doch Ober-Guru Musk immer mehr mit Trump sympathisiert, erst vor kurzem in die GOP eingetreten ist und seinem Favoriten als Präsidentschaftskandidaten wohl rund 20 Mio spenden will.


    Man könnte fast meinen so Urteile wie das von Freitag, die kommen einfach aus dem nichts und keiner kann sich erklären, wie das eigentlich passieren konnte. Mensch. Das hat doch eigentlich niemand gewollt, als er Trump gewählt hat. Egal, lass nochmal Trump wählen...

    Sagen wir mal so, ich gehöre zu denen, die bei diesen Aktionen der Firmen eher zynisch reagieren (obwohl sie m. M. n. hier das Richtige tun), weil ich da eher kein Altruismus sehe, sondern die Angst, potente Kunden oder hochqualifizierte Mitarbeiter zu verlieren.

  • Eine rechte Abzweigung des Begriffes 'libertär' war mir tatsächlich bisher nicht geläufig, habe diese Orientierung immer im anarchistischen Spektrum verortet.


    Mal nachschlagen bei Jandl...

    "Manche meinen

    lechts und rinks

    kann man nicht velwechsern

    werch ein illtum."

  • Mal nachschlagen bei Jandl...

    "Manche meinen

    lechts und rinks

    kann man nicht velwechsern

    werch ein illtum."

    :thumbup:

    Von Kinderreimen abgesehen wohl das einzige Gedicht aus der Schulzeit, das ich mir habe merken können und mir auch sofort eingeleuchtet hat. Ansonsten war Lyrik nicht so mein Ding und ich eher prosaisch veranlagt.

  • Ist dem nicht so? Frage für nen Freund (diesen Schwachsinn wollte ich schon immer mal schreiben). ;--)h

    Mal ein wenig Wissenschaft:

    Düsseldorfer, *ölner und Ruhrpottler haben eine extrem unterschiedliche DNA, das äußert sich in ausgestoßenen Lauten, Gesängen, Getränken und sonstigen Verhaltensweisen. Leider vermischt sich diese DNA zuweilen, das erschwert die Arbeit der Tatortermittler.--;)ir

    Köln ist wie eine Insel. Was das für die Gene und so bedeutet ist ja hinlänglich bekannt.